Aborigines fürchten „institutionalisierten Mord“

■ Australiens liberal-konservative Regierung will Ureinwohnern Gelder streichen

Berlin (taz) – Für Galarrwuy Yunupingu ist es ein „Speer ins Herz“ der Bemühungen der Aborigines um Selbstbestimmung.

Nachdem die australische Regierung Anfang der Woche angekündigt hat, die Gelder für Aborigines drastisch zu kürzen, fürchtet der Ältestensprecher und Vorsitzende des nördlichen Landrates, die australischen Ureinwohner könnten „am langen Arm der Regierung verhungern“. Der Minister für Ureinwohnerfragen, John Herron, hatte eine Woche vor der Vorstellung des neuen Haushaltes am kommenden Dienstag die Kürzungen im Aborigines-Etat angekündigt. Danach sind für die Ureinwohnern in den nächsten vier Jahren 400 Millionen australische Dollar (450 Millionen Mark) weniger vorgesehen. Die Dachorganisation der Aborigines (Atsic) erhielt bisher jährlich eine Milliarde australische Dollar.

Bürgerrechtler und führende Vertreter der Aborigines protestieren. Terry O' Shane, ein Vorsitzender der Atsic, warnt im Hinblick auf die olympischen Spiele in Sydney: „Das Jahr 2000 wird kein Jahr, auf das sie mit großer Freude zurückblicken werden.“ Minister Herron betont, die Kürzungen wirkten sich nicht auf den Arbeits- und Wohnungsmarktmarkt oder das Gesundheitswesen aus. Betroffen wären lediglich Förderungen im Bereich der Kultur und des Sports. Vertreter der Aborigines, wie die populäre Richterin Pat 0'Shane, werfen der liberal-konservativen Regierung dagegen vor, die sozialen Konsequenzen der Kürzungen nicht überdacht zu haben. Für sie bedeuten weniger Mittel für die Aborigines „mehr Arbeitslosigkeit, weniger Wohnungen, mehr Rassismus und mehr Inhaftierungen“. Führende Atsic- Vertreter klagen die Regierung an, „ihnen die Hände“ zu binden. Marcia Langton, Professorin für Aborigines-Studien, bezeichnet die Streichungen als „institutionalisierten Mord“. Sie schätzt, daß 2.000 Einrichtungen für Aborigines ihre Arbeit aufgeben müssen.

Die Aborigines leben seit 40.000 Jahren in Australien. Ungefähr 400.000 Ureinwohner bevölkerten das Land vor der Ankunft der Europäer. Heute sind es nur noch 265.000. 1967 nahm sich die Regierung nach einem Referendum endlich der Angelegenheiten der Aborigines an. Sie erhielten die Bürgerrechte. Dennoch sind die Aborigines heute die sozial am meisten benachteiligten Australier. Die Arbeitslosenquote ist sechsmal höher, die Inhaftierungsrate 27mal so hoch und die Lebenserwartung wesentlich niedriger als bei anderen Australiern. Uli Schwidden