piwik no script img

Öko-Institut untersucht Hoechst

Wissenschaftler erstellen ein Öko-Audit für drei Produktlinien des Chemieriesen: Superabsorber bei Babywindeln, Lebensmittelzusätzen und Textilien  ■ Aus Frankfurt/Main Klaus-Peter Klingelschmitt

Als „Präzedenzfall für die Überwindung alter Feindbilder“ bezeichnete Projektleiter Christoph Ewen vom Öko-Institut in Darmstadt gestern die vertraglich vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Chemiegiganten Hoechst. Die alternativen Wissenschaftler, die bereits seit Jahren für das Land Hessen vor allem im Atombereich gutachterlich tätig sind, sollen zunächst drei Produktlinien von Hoechst auf ihre Umweltverträglichkeit bei der Herstellung untersuchen. Auch ihre ökologische und soziale Kompatibilität im globalen Maßstab – vor allem in der Dritten Welt – soll unter die Lupe genommen werden. Es handelt sich dabei um Lebensmittelzusatzstoffe, Superabsorber für Babywindeln und sogenannte Geotextilien zur Abdichtung von Deponien oder Baugruben.

Die Initiative zu dieser Zusammenarbeit, sagt Ewen, sei zunächst vor zwei Jahren vom Öko-Institut ausgegangen. Der neue Vorstandsvorsitzende von Hoechst, Jürgen Dormann, habe zuvor mehrfach von „Sustainable development“ (nachhaltige Entwicklung) als neuer Unternehmensphilosophie gesprochen. Ewen: „Wir wollten den Mann einfach beim Wort nehmen und haben deshalb die Entwicklung einer Konzeptstudie zum Thema angeboten.“ Bis zu einem ersten Gespräch „mit der Führungsebene von Hoechst“ im Institut habe es dann allerdings ein Jahr gedauert.

Auch beim Öko-Institut seien Widerstände gegen die Zusammenarbeit mit Hoechst zu überwinden gewesen, sagt Ewen. Beim ersten Zusammentreffen hätten MitarbeiterInnen des Instituts sämtliche Plakate gegen Hoechst und die Chemieindustrie im allgemeinen im Konferenzraum an die Wände gepinnt. Vor allem wegen der führenden Rolle von Hoechst bei der Gentechnologie habe es im Institut „interne Auseinandersetzungen“ gegeben. Weil sich aber der Staat zur Zeit aus der Umweltpolitik zurückziehe und deshalb gerade das Engagement von Unternehmen für den Umweltschutz immer wichtiger werde, sei das Projekt letztendlich akzeptiert worden. Ewen: „Wir hoffen, daß dieses Beispiel Schule macht und andere Großunternehmen nachziehen.“ Zumindest im Verband der Chemischen Industrie (VCI) werde die Zusammenarbeit heftige Debatten auslösen, glaubt Ewen: „Da wird es zunächst Prügel für Hoechst geben.“

Der Umweltbeauftragte von Hoechst nannte die Zusammenarbeit eine „Konsequenz aus dem Umweltgipfel von Rio“. Das Schlagwort von der „nachhaltigen Entwicklung“ müsse mit Leben erfüllt werden. Sechs Chemiker und Ökonomen des Öko-Instituts werden also bis Ende 1996 bei Hoechst arbeiten und dabei versuchen, ihre Erkenntnisse und ihre „strategischen Überlegungen“, so Ewen, auch in den Köpfen der Manager zu verankern. Leisten kann sich Hoechst die Studien auf jeden Fall. Am Mittwoch hatten die Frankfurter gemeldet, daß sich ihr Gewinn durch einige Firmenverkäufe im ersten Halbjahr 1996 vor Steuern mehr als verdoppelt hat.

Kommentar Seite 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen