Die Partei, die Partei hat immer recht

■ PDS-Vordenker André Brie beklagt im taz-Interview die Harmoniesucht seiner Partei. Im Vorstand der PDS wirft man ihm hingegen vor, seine Kritik mache eine Regierungsbeteiligung der Partei unwahrscheinlicher als zuvor

Berlin (taz) – Das PDS-Vorstandsmitglied André Brie gerät in den eigenen Reihen zunehmend in die Isolation. Die große Mehrheit im Vorstand wirft dem Kollegen vor, mit seiner Kritik an der eigenen Partei dieser mehr zu schaden als zu nützen. Brie habe eine „zu vordergründige Debatte“ um eine mögliche Regierungsbeteiligung der PDS angezettelt, sagte gestern der PDS-Vize Wolfgang Gehrcke zur taz. Besonders fatal sei, daß Brie dabei den Eindruck erwecke, die PDS sei bereit, für den Platz auf einer Regierungsbank „Teile der Partei über Bord zu werfen“.

André Brie hat unterdessen seine Kritik bekräftigt. Es könne kein Ziel sein, „die Reihen unbedingt geschlossen zu halten. Dahinter steckt unsere Harmoniesucht.“ Brie fordert die Partei vielmehr zum offenen Streit auf. Die PDS müsse ein „positives Verhältnis zum Grundgesetz und zur parlamentarischen Demokratie entwickeln“, sie müsse „in der Hinsicht eine normale Partei werden, daß sie für die Ablösung der konservativen Regierung der SPD und den Grünen zur Verfügung steht“. Die PDS brauche dringend einen Klärungsprozeß, „sonst fliegt uns der ganze Laden um die Ohren“.

Im 18köpfigen Parteivorstand ist derzeit keiner gut auf Brie zu sprechen. Am Montag hatte sich das Gremium mit der Kritik des Kollegen beschäftigt und anschließend in einer knappen Erklärung „insbesondere die Äußerungen Bries, die das Verhältnis der PDS zum Grundgesetz der Bundesrepublik und zur parlamentarischen Demokratie sowie die Etikettierung von Mitgliedern der PDS betreffen“, zurückgewiesen. Brie war zu diesem regelmäßigen Termin eingeladen worden, er wollte seinen Urlaub deswegen aber nicht unterbrechen. Daß er dann zur gleichen Zeit weitere Interviews führte, stieß den GenossInnen gehörig auf.

„Dicke Worte und dahinter nur Nebel“, hält PDS-Vize Gehrcke dem Vorstandskollegen entgegen. Wenn Brie die Forderung erhebe, die PDS müsse für „poststalinistische“ Positionen „unerträglich werden“, dann müsse er auch sagen, wen er damit meine und wie er sich das vorstelle. Die Mehrheit im Vorstand konstatiert, der Parteifreund habe einen verblüffenden Richtungswechsel vollzogen. Denn bislang habe Brie stets vor der Übernahme von Regierungsverantwortung mit dem Argument gewarnt, die PDS sei für einen solchen Schritt nicht vorbereitet.

Gehrcke fürchtet nun, daß mit dem Vorpreschen des Kollegen und der damit verbundenen Auseinandersetzung die Option einer Regierungsbeteiligung „eher unwahrscheinlicher als wahrscheinlicher wird“.

André Brie habe der PDS eine falsche Debatte aufgezwungen. Dessen Forderung nach einem positiven Verhältnis zum Grundgesetz erinnere ihn an die Debatte über das staatliche Gewaltmonopol, die die Altparteien den Grünen nach deren ersten Wahlerfolgen aufgezwungen hätten. wg Interview Seite 5