"Wollen wir noch ein Tier?"

■ Fisch ist Fisch, auch auf dem Buffet: Wie es Sat.1 einmal bei aller Mühe trotzdem nicht schaffte, unseren Lieblingstierfilmer Heinz Sielmann zum Affen zu machen

Der italienische Tourist versteht gar nichts mehr. Eigentlich wollte er nur den Berliner Zoo besuchen und nun das: Auf dem Beckenrand des Brunnens vor dem Aquarium sitzt ein alter grauhaariger Mann und spielt mit einem Affen in grüner Unterhose. Drumherum gebärden sich Fotografen ebenfalls wie die Primaten, rufen dem Mann knappe Befehle zu und herrschen im Hintergrund turnende Kinder an, gefälligst aus dem Bild zu gehen. „Das ist der Sielmann“, klärt eine Passantin den italienischen Touristen auf, „und das daneben ist ein Schimpanse.“

Man muß schon in Italien wohnen, um Sielmann nicht zu kennen. Hierzulande sorgt der Tierfilmer immer noch für mittelschwere Menschenaufläufe, zumal wenn sich Sat.1 für Choreographie und Schnittchen verantwortlich zeigt. Freiwillig würde sich Sielmann dieser Fototermin genannten Prozedur wohl kaum aussetzen, aber es gilt für eine neue Staffel von Tierfilmen zu werben, und Vertrag ist Vertrag: Artig nimmt er immer wieder den Affen auf den Arm, lächelt in die Objektive und zuckt telegen mit den graumelierten Augenbrauen.

„Wie halten Sie sich fit, Herr Sielmann?“ fragt eine Boulevardreporterin, doch der bewahrt erstaunlicherweise die Contenance. „Ein paar Kniebeugen gegen das schlechte Gewissen“, sagt er und schaut dabei, als würde er gern irgend jemanden fragen, was er hier macht.

Sielmann ist älter geworden, fast ein wenig tattrig. In seiner gebräunten Haut und dem bayrischen Leinenjanker sieht er ein wenig wie der unwesentlich jüngere (und größere) Bruder von Luis Trenker aus – einer von denen, die selbst mit den Bergen sprechen. Sein Gesicht trägt die würdevollen Züge der Entdeckungsreisenden (auf fünf Kontinenten) und unwillkürlich fragt man sich, warum es Sielmann nötig hat, noch einmal den Affen zu machen.

„Wollen wir noch ein anderes Tier?“ fragt der Mann von Sat.1. „Vielleicht mal einen Elefanten oder ein Krokodil“, prustet ein besonders respektloser Fotograf, doch an diesem Nachmittag schafft es niemand, aus dem Grandseigneur des deutschen Tierfilms eine Witzfigur zu machen. Denn eigentlich muß Sielmann nur den Mund aufmachen, damit die groteske Szenerie um ihn herum verschwimmt. Dann hört man nur noch sein samtiges Timbre, das Millionen von ZuschauerInnen durch die Wüste Gobi oder den Schwarzwald begleitete, und dann möchte man diesen Professor zum Opa haben – wie ein Schimpanse in seinen Armen liegen und den Geschichten aus tausendundeiner Safari lauschen.

„Vorwärts“, ruft Sielmann jetzt, das rettende Ende der PR-Aktion dicht vor Augen. Fast zackig steht er auf und stapft in die Schwüle des Aquariums, der Pressetroß hinterher. Inmitten von Weichschildkröten aus Guinea und Riesenzackenbarschen zeigt Sat.1 einen Zusammenschnitt aus Sielmanns neuesten Filmen. Und weil Fisch Fisch bleiben muß, liegt auch auf dem kalten Buffet Artverwandtes: Lachsbrötchen, Thunfischsalat und jede Menge Garnelensticks. Sielmann selbst trinkt lediglich Wasser – das hier ist nicht sein Revier.

Schon eher das heimische Schelf. „Vögel über Watt und Wiesen“ hieß schon sein erster Tierfilm, den er 1938 drehte. Und auch für die Sat.1-Reihe „Abenteuer Natur“ ist der inzwischen 79jährige noch einmal in „Neptuns Vorgarten“ gezogen, um die Zerstörung des Wattenmeers zu dokumentieren. Doch nicht nur an der Rettung der hiesigen Fauna ist ihm gelegen: Wenn die Staffel Anfang Oktober anläuft (außerdem: „Zoo – die letzte Arche“, 8.10.; „Ostsee – das bedrohte Paradies“, 15.10.; „Auwälder – Dschungel Europas“, 5.11.) ist Sielmann natürlich längst schon wieder unterwegs – auf Expedition in der Mongolei nämlich. Und ganz weit weg von Sat.1. Oliver Gehrs