Einkauf ohne Gewissensbisse

Seit drei Monaten verkauft der „stattMarkt“ erfolgreich Produkte aus gemeinnützigen Projekten – allerdings nicht ganz ohne Probleme  ■ Von Frank Fölsch

Man merkt gleich, wenn man den Laden betritt, daß hier etwas ganz anders ist. Keine Dudelmusik und auch keine aufdringliche Reklame. Außerdem ist das Angebot anders, als man es von den üblichen Kaufhäusern gewohnt ist. In den verschiedenen Ecken gibt es immer wieder etwas zu entdecken: hier ein Naturholz-Baukasten für Kinder, dort dekorative afrikanische Schnitzereien, außerdem Bekleidung, Schmuck und Keramik, aber auch einige technische Geräte kommen entsprechend zur Geltung. Und wenn man Fragen zu den Produkten hat, dann nimmt sich die Verkäuferin schon mal die Zeit für ein Gespräch, Kaffee inklusive.

Der „stattMarkt“ in der Boppstraße 7, auf einem Hinterhof im Kreuzberger Kiez gelegen, ist das etwas andere Kaufhaus. Seit nunmehr drei Monaten werden hier Produkte aus verschiedenen gemeinnützigen Projekten verkauft. Die 13 MitarbeiterInnen sind alle über 50 Jahre alt und waren lange Zeit arbeitslos. Sie haben hier wieder Arbeit gefunden – Fördergelder vom Bund und Senat machen es möglich. Günstig für den Bekanntheitsgrad des „stattMarkt“ wirkt sich die unmittelbare Nachbarschaft zur „Schildkröte“ aus, einem Restaurant mit sozialen Preisen. Durch Mundpropaganda hat sich die Idee eines alternativen Kaufhauses über Kreuzberg hinaus herumgesprochen.

Zur Kundschaft zählen nicht nur Menschen aus einkommensschwachen Haushalten, die im „stattMarkt“ gegen Nachweis aufbereitete Möbel oder Kleider billiger bekommen, sondern auch verstärkt Leute aus dem Kiez, die das Angebot des „stattMarkt“ gerne wahrnehmen. Inzwischen kommt ein Teil der Kunden „sogar aus Brandenburg“, weiß Projekt- und Kaufhausleiter Bernd Schüngel zu berichten, einige von ihnen seien gezielt auf der Suche nach etwas „Ökologischem“ oder einer „handwerklichen Besonderheit“.

Was zeichnet den „stattMarkt“ aus? „Die Produkte, die wir anbieten, haben einen hohen Gebrauchswert“, beschreibt Schüngel die Vorzüge des „stattMarkt“-Sortiments, „sie gehen eben nicht bei der erstbesten Gelegenheit kaputt.“ Die Preise sind angesichts der hohen Qualität der Produkte erfreulich niedrig.

Ungefähr 20 gemeinnützige Einrichtungen beliefern den „stattMarkt“ mit ihren Produkten. Die Palette reicht von Holzspielzeug und Kindermöbeln von „Klein- Holz“, einem Zweckbetrieb des Anti-Drogen-Verein e.V., über Bekleidung, Tisch- und Bettwäsche des Finsterwalder Frauenprojekts „Erhalt kultureller Werte“, bis hin zur hauseigenen Tischlerei, die Gebrauchsmöbel wieder aufarbeitet. Neuerdings werden auch einige technische Geräte angeboten, darunter günstige Walkman-Versionen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Vorführgeräte und Reklamationen, die in einem Beschäftigungsprojekt wieder fitgemacht wurden und mit einer vierteljährlichen Garantie versehen sind.

„Die Bekleidungsstücke gehen gut, ebenso wie die Holzartikel und das Spielzeug“, weiß Schüngel zu berichten. „Unser Renner allerdings ist ein jüdischer Leuchter aus Metall, den wir nach einem eigenen Entwurf herstellen lassen“, freut sich der Kaufhausleiter. „Von diesen Menoras haben wir alle verkauft.“ Gerade erst vor kurzem hat er zudem einen Kooperationsvertrag mit einem Dorf in Gambia abschließen können, bei fairem Lohn für die Produzenten. Bernd Schüngel sieht diese Fair-Trade-Initiative als „Vorboten für weitere Dorf-Kooperativen“, die er in nächster Zeit forcieren will.

Es gebe aber auch kleinere Probleme, die strukturell bedingt sind, erklärt Schüngel. Soziale Projekte oder Lehrwerkstätten seien nicht dafür konzipiert, die unterschiedlichen „Produkte in Serie“ herzustellen, das soziale Ziel stehe bei ihnen im Vordergrund. Daher könne es schon mal vorkommen, daß der „stattMarkt“ für einige Zeit verschiedene Produkte nicht anbieten kann.

Die größte Sorge, die Schüngel hat, ist aber anderer Natur. Aufgrund der Sparmaßnahmen des Senats sind eine Menge von Kooperationsprojekten und -firmen akut gefährdet. „Zahlreiche ABM-Stellen unserer Projektpartner sind gekürzt worden“, berichtet der Projektleiter besorgt. „Einige gibt es gar nicht mehr, und daher fehlt uns teilweise der Nachschub.“ Im Tischlerei- und Handwerksbereich ist er deshalb auf der Suche nach Lieferanten mit einer gemeinnützigen Attitüde, die sich in die Konzeption des „stattMarkt“ einreihen lassen. Zur Zeit arbeitet Schüngel an einer Marketingstrategie, die sich an den rechtlichen Vorgaben für das finanziell geförderte Warenhaus hält, denn auf der großen Verkaufsfläche von über 700 Quadratmetern ist noch etwas Platz frei. Er gibt sich zuversichtlich, was die Zukunft dieses außergewöhnlichen Kaufhausprojektes betrifft: „Wir haben etwas Besonderes zu bieten, daher sind wir optimisch.“

Öffnungszeiten des „stattMarkt“ (Boppstraße 7, U-Bahnhof Schönleinstraße): Mo.–Fr. 9–18 Uhr, Sa. 9–14 Uhr.