Vermächtnis der „Rohbauern“ und „Putzbauern“

■ Obwohl es nur noch wenige der ursprünglichen Villen gibt, ist der großzügige Charakter der ehemaligen Villenkolonie vor den Toren Berlins noch immer zu spüren

In der Schmargendorfer Straße ist sie noch spürbar – die Atmosphäre der einstigen Villenkolonie „Frieden-Au“. Einen Katzensprung vom tosenden Friedrich- Wilhelm-Platz entfernt, findet man hier zweistöckige Landhäuser aus den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Und auch einen Nachgeschmack des wohl ersten Architekturstreits in der 1871 gegründeten Villenkolonie. Ließen die einen ihre Landhäuser vornehmlich mit Ziegel bauen, machten sich andere daran, ihre Häuser schnellstmöglich zu verputzen. Fortan machte das Gegensatzpaar von den „Rohbauern“ und „Putzbauern“ die Runde.

Die Villen in der Schmargendorfer Straße sind aber auch die baulichen Zeugnisse der Friedenauer Gründerphilosophie, bei der sich die Siedler sogar verpflichten mußten, keine mehrstöckigen Mietshäuser zu errichten. Die Idylle der Villenkolonie sollte von den Trübnissen der Großstadt unbeschadet bleiben.

Im gleichen Jahr, in dem die Stadt Berlin als Hauptstadt des deutschen Kaiserreichs gekürt wurde, wurde draußen auf dem Rittergut Deutsch-Wilmersdorf der „Landerwerb- und Bauverein auf Actien“ ins Leben gerufen. Vom Hamburger Großkaufmann Carstenn, dem Gründer der Villenkolonie Lichterfelde, kaufte der Verein 550 Morgen Land. Bereits drei Jahre später wurde Friedenau zur selbständigen Landgemeinde erhoben, die sie bis zur Eingemeindung nach Groß-Berlin im Jahre 1920 blieb.

Von Anfang an freilich stand die Villenkolonie unter dem ökonomischen Druck der wachsenden Großstadt Berlin. Bereits 1887 wurde die Friedenauer Bauordnung geändert, dem Bau von fünfstöckigen Mietshäusern stand nun nichts mehr im Wege. Zwar wurde die Anzahl der Stockwerke schon fünf Jahre später wieder auf vier herunterkorrigiert, doch der Landhauscharakter der Kolonie war zu diesem Zeitpunkt bereits von der Gründerzeibebauung überformt. Lediglich für die westlich der Kaiserallee (der heutigen Bundesallee) gelegenen Straßenzüge des Viertels wurde die Bebauung etwas aufgelockert.

Trotz der mittlerweile geschlossenen Bebauung und den Verkehrsschneisen, die die Rheinstraße und die Bundesallee durch Friedenau schlagen, hat sich der besondere Charakter dieser vornehmen Gegend bis heute gehalten. Insbesondere die Platzanlagen, der kreisrunde Renée-Sintenis-Platz oder die großartige Platzanlage des Perelsplatzes mit seiner Bedürfnisanstalt im Fachwerkbau und dem reichen Baumbestand lassen noch heute etwas von der Großzügigkeit in der Anlage des Viertels ahnen.

Entsprechend reich ist Friedenau auch an Baudenkmälern. Die Liste der denkmalgeschützen Gebäude reicht von den – Pariser Stil nachahmenden – Reihenhäusern in der Dickhardtstraße 11 bis 13 bis zu der in den zwanziger Jahren erbauten Reformsiedlung „Ceciliengärten“ nahe der Wannseebahn. All das war auch ein Grund dafür, warum große Teile von Friedenau – inklusive der vielen Vorgärten vor den Stadtvillen – bereits vor zehn Jahren zum Erhaltungsgebiet erklärt wurden. Uwe Rada

Noch bis zum 3. November ist die Ausstellung „Künstlerviertel Friedenau“ im Schöneberg-Museum in der Hauptstraße 40/42 zu sehen. Begleitet wird die Ausstellung von zahlreichen Veranstaltungen. Erschienen ist auch ein Führer mit Spaziergängen durch Friedenau. Er kostet fünf Mark.