Die Spitze wird breiter

■ Nach dem 5:1 in Armenien blickt Bundestrainer Berti Vogts zuversichtlich der Zukunft in der WM-Qualifikation entgegen

Berlin (taz) – Die Tennisspielerin Martina Navratilova sagte einmal, daß sie während ihrer großen Zeit an schlechten Tagen manches Match nur gewonnen habe, weil ihre Gegnerin auf der anderen Seite des Netzes vor Ehrfurcht förmlich erstarrt war. Ein Phänomen, von dem auch Steffi Graf gern profitiert, und nicht zuletzt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Fußball, hat der Engländer Gary Lineker definiert, sei, wenn am Ende Deutschland gewinnt. Ein Mythos, der dem Vogts- Team oft treue Dienste leistet, zumal er bei der letzten Europameisterschaft reichlich neue Nahrung bekam.

In Jerewan hatten die Armenier, die noch gegen Portugal oder Nordirland frisch und frech aufgespielt hatten, während der ersten zwanzig Minuten so viel Respekt vor ihren Gegnern, daß fast jeder Paß fehlging und jede Ballannahme kläglich mißlang. Bei einer Spielweise, die auf kurzen präzisen Kombinationen basiert, und einem Gegner, der noch genug Kraft für das berüchtigte „Zustellen“ hat, ist eine solche Hektik ziemlich fatal, und so wirkte die gepriesene armenische Nationalelf meist wie eine übereifrige E-Jugend-Mannschaft, in der jeder schneller zu rennen versucht, als ihn die Beine tragen können.

Besonders groß war die Angst bei deutschen Freistößen. Anstatt eine kompakte Mauer zu bilden und diszipliniert hochzuspringen, stürzten sich sämtliche Bestandteile des antihäßlerschen Schutzwalles panikartig auf den Ball, was den kleinen Karlsruher so freute, daß er die Kugel gleich zweimal durch die klaffenden Lücken ins Tor beförderte.

Häßlers erstes Freistoßtor in der 20 Minute sorgte komischerweise schlagartig für Beruhigung im armenischen Spiels. Die 60.000 im Rasdan-Stadion durften nun einige hübsche Angriffe ihres Teams bejubeln, und es zeigte sich einmal mehr, daß vor allem Kohler, Babbel und Reuter mit wieselflinken und technisch guten Stürmern ihre Probleme haben. Mitten in der Erholungsphase der Armenier platzte dann auf einmal Klinsmanns Knoten, wie es Bundestrainer Berti Vogts umschrieb. Der Möchtegern-Bayer erzielte das 2:0 (26.), und den restlichen Elan erstickte Häßlers zweites Freistoßtor in der 39. Minute, nachdem zuvor ein vorwitziger Schuß von Vardanian aus der eigenen Hälfte fast den Anschlußtreffer gebracht hätte. Der Ball prallte jedoch hinter dem schlecht postierten Köpke an die Latte. In der zweiten Halbzeit des munteren Spieles durfte jeder mal frei vor des Gegners Torwart auftauchen, treffsicherer waren erneut die Deutschen, deren 5:1-Sieg am Ende ein wenig höher ausfiel als verdient und allseitige Lobeshymnen hervorrief.

Besonders erfreut war Berti Vogts, der mal wieder „die Breite in der Spitze“ seines „tollen“ Kaders lobte und mit Genugtuung feststellen konnte, daß selbst der einzige wirklich schwerwiegende Ausfall, Matthias Sammer, zu ersetzen war. Aber der wird ja auch erst dann richtig wichtig, wenn die Sache schiefzulaufen droht. In der WM-Qualifikation für 1998 ist dieser Fall nicht allzu wahrscheinlich, obwohl Teams wie Portugal und Nordirland gegen den Europameister nicht ganz so respektvoll zu Werke gehen werden wie die Armenier in Jerewan. Matti

Deutschland: Köpke - Reuter - Babbel, Kohler - Paßlack, Eilts, Bode (73. Kuntz) - Häßler (81. Tarnat), Scholl - Klinsmann, Bierhoff (64. Bobic)

Zuschauer: 45.000; Tore: 0:1 Häßler (20.), 0:2 Klinsmann (26.), 0:3 Häßler (39.), 0:4 Bobic (69.), 0:5 Kuntz (81.), 1:5 Mikayelian (85.)

Armenien: Beresowski - Oganesian (46. Arsen Awetisian) - Sukiasian, Howsepian, Chatschatrian - Ter-Zakarian, Vardanian (78. Minasian), Tonoian (46. Ter-Petrosian), Mchitarian - Mikayelian, Assadurian