Atomkonzerne vor dem Einmarsch

■ Energiebeirat und ÖTV kritisieren Vorschlag der Finanzsenatorin, alle landeseigenen Aktien der Bewag zu verkaufen. Fugmann-Heesing dementiert Pläne zur Schließung von vier Theatern

Massive Kritik rief gestern der Vorschlag von Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) hervor, sämtliche landeseigenen Aktien des Energieversorgers Bewag zu verkaufen. „Das verringert den energiepolitischen Einfluß des Landes“, sagte Wirtschaftsforscher Hans-Joachim Ziesing, zugleich oberster Energieberater des Senats. Der umweltpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Hartwig Berger, bezeichnete den geplanten Verkauf als „Bankrotterklärung der Energiepolitik“.

„Bis zu 1.700 Arbeitsplätze in den Kraftwerken der Bewag sind unmittelbar gefährdet“, befürchtet Kurt Lange, Vorsitzender der Gewerkschaft ÖTV. Kaufwillige Energiekonzerne würden lieber ihren eigenen Strom nach Berlin liefern. Hiesige Kraftwerke seien dann von der Schließung bedroht, so Lange.

Weil rund 6,4 Milliarden Mark im Landeshaushalt für 1997 fehlen, will Fugmann-Heesing den Aktienverkauf bei der Klausurtagung der Großen Koalition am kommenden Wochenende durchsetzen. Die Veräußerung des gesamten Beteiligungspakets in Höhe von 50,8 Prozent der Aktien soll knapp 3 Milliarden Mark einbringen. Bislang sollte nur die Hälfte der Anteile verkauft werden. Auf der Matte stehen 27 Unternehmen, darunter auch die bundesdeutschen Monopolisten und Atomkonzerne RWE, Veba und Bayernwerk.

Das Land werde sein Paket nur verkaufen, wenn vier Bedingungen erfüllt seien, sagte die Finanzsenatorin. Berlin müsse Unternehmenssitz der Bewag und Standort von Kraftwerken bleiben. Die potentiellen Investoren sollen aus der Energiebranche kommen und zumindest einen Teil ihrer Verwaltung an die Spree verlegen. Das schaffe qualifizierte Arbeitsplätze.

Der Kaufvertrag lasse sich im übrigen so gestalten, daß etwa die Förderung der Solarenergie für den Investor in Zukunft verpflichtend sei. Der grüne Umweltpolitiler Hartwig Berger hingegen bezeichnete den möglichen Vertrag als „wertloses Blatt Papier“. Man könne den Käufer nur verpflichten, sich für die Förderung der Solarenergie einzusetzen. Ob seine Aufsichtsratsmitglieder diese Position dann tatsächlich gegenüber dem Bewag-Vorstand durchsetzten, sei äußerst fraglich.

Umweltsenator Peter Strieder (SPD) versuchte gestern gar nicht erst, den Verkauf grundsätzlich in Frage zu stellen. Er nannte nur eine weitere Bedingung: 1,4 Milliarden Mark aus dem Erlös sollten in einen Fonds fließen, um damit Umweltschutz zu finanzieren. Angesichts der Finanzlage erteilte Fugmann-Heesing dieser Idee aber gleich eine Absage. Die Fraktionsspitzen von SPD und CDU waren mit den Verkaufsplänen ihrer Sparchefin einverstanden.

Einen weiteren radikalen Schnitt zur Haushaltssanierung dementierte die Senatorin allerdings. Keineswegs wolle sie bei der Klausurtagung vorschlagen, die Komische Oper, das Metropol- und Maxim Gorki Theater sowie das Theater des Westens zu schließen. Ein solches Papier war aus ihrer Verwaltung gestern bekanntgeworden. Von der Abwicklung der vier Spielstätten distanzierte sich auch Kultursenator Peter Radunski (CDU). Hannes Koch

Siehe Bericht Seite 6