Vom Handelsbetrieb zurück zur Kirche

Was wird aus der Parochialkirche? Sowohl die Nutzung als auch die endgültige Gestalt der 1944 zerstörten Kirche in Mitte sind zur Zeit noch unklar, obwohl ein Nutzungskonzept vorhanden ist  ■ Von Georg Götz

„Ich mache schon seit drei Wochen an diesem Ding da rum“, seufzt Julia und verweist auf ein barockes Kapitell. Sie ist gerade dabei, es mit einem Spezialsandstrahlgebläse von Farbresten, Brandspuren und Schadstoffrückständen zu reinigen. Wir befinden uns auf dem Gerüst um den Turmstumpf – gut 25 Meter über der Klosterstraße in Mitte.

Julia absolviert ein Restauratorenpraktikum und soll mit ihren Arbeitskolleginnen die Reste des barocken Bauschmucks im oberen Teil des Turms bis Ende November fertiggeputzt haben. Eberhard Taube, der die Restaurierungsarbeiten am Turmstumpf leitet, verweist auf die Einmaligkeit der Berliner Parochialkirche, die er in eine Reihe mit der Potsdamer Garnisonskirche und dem dortigen Stadtschloß stellt: „Beide werden wohl nie wieder aufgebaut werden, und daher rührt der Stellenwert dieses Bauwerks.“

Von außen war die Parochialkirche ein imposantes barockes Gebäude, von innen wurde die 1703 fertiggestellte Kirche mehrmals stark verändert. Seit 1714 ausgestattet mit einem berühmten Turm mit einem noch berühmteren Glockenspiel darin, wurde dem im Berliner Raum für diese Zeit einzigartigen Zentralbau 1944 durch eine Bombe schwer zugesetzt: Der Turmaufbau fiel ins Kirchenschiff, das dann völlig ausbrannte.

Zu DDR-Zeiten wurde eine Sanierung öfters geplant, jedoch nur bruchstückhaft in die Tat umgesetzt, später diente das Kirchenschiff dem Sozialistischen Handels-Betrieb Möbel Berlin als Lagerraum. Seit einiger Zeit fließt aus verschiedenen Töpfen ein spärliches Rinnsal an Zuschüssen zu einer Instandhaltung dessen, was von der Parochialkirche noch übrig ist. Die Zuschüsse werden zumeist nur für ein Jahr bewilligt. Planungsunsicherheit pur.

Um überhaupt weitere Geldmittel für eine Restaurierung des Inneren zu bekommen, muß erst einmal ein weiterer Nutzungsträger gefunden werden. Nachdem sich die Humboldt-Uni als Mitnutzerin wegen Geldknappheit verabschiedet hat, wird nach Alternativen gesucht. Bis jetzt sind aber noch keine gefunden, die den Raum mit der Georgen-Parochialgemeinde und den dort ausstellenden Künstlern teilen möchten.

Die Gestaltung des Innenraumes bleibt so oder so heikles Thema. Der Putz ist völlig weg, und viele der jetzt blankliegenden Ziegel sind durch die Brandhitze 1944 gerissen. Große Teile des Innenraums sind durch zwischen den Wänden aufgespannte Netzen gesichert. „Besuchern gefällt der rauhe Charme, und der Landeskonservator Jörg Haspel möchte die Spuren der Zeit erhalten“, so Pfarrer Hartmut Scheel. Allerdings wolle der Gemeindekirchenrat unbedingt eine Änderung, die dunklen, staubigen Gemäuer machten depressiv. Man werde jedoch den Raum keineswegs in der veränderten Fassung des späten 19. Jahrhunderts wiederherstellen. Mangels Konzepten für den Innenraum laufen zur Zeit nur sanierungsvorbereitende Maßnahmen an der Außenwand.

Widersprüchliche Äußerungen gibt es zur Frage der Turmrekonstruktion. 1991 forderte der damalige Bausenator Wolfgang Nagel die Gemeinde auf, die Bauunterlagen zur originalen Wiederherstellung fertigzumachen und einzureichen. „Die sind dann aber im Kompetenzdschungel verschwunden“, so Scheel, die Stadt hat ihm zufolge aber ein Interesse am Wiederaufbau, weil der Turm „stadtbildprägende Wirkung“ gehabt habe. Auch Eberhard Taube meint, so, wie er jetzt da stünde, sei der Turm kein Turm mehr. Bei der Denkmalpflege schlägt man inzwischen vorsichtigere Töne an: Die komplette Rekonstruktion käme „enorm teuer“, deswegen könne man zur Zeit keine Diskussion über Sinn oder Unsinn eines kompletten Wiederaufbaus führen, meint Norbert Heuler vom Landesdenkmalamt. Man darf gespannt sein, ob sich eine Debatte um den Turm ähnlich emotional auflädt wie die um das Stadtschloß und demnächst wahrscheinlich um die Bauakademie. Wichtiger als eine Rekonstruktion ist für alle Beteiligten aber erst einmal die Restaurierung des noch Vorhandenen.

Spenden für die Sanierung: Kto.-Nr. 160 350, BLZ 100 602 37 (Mit Verwendungszweck „Spende für Sanierung“ und Empfänger „Georgen-Parochialgemeinde“)