„Kampfansage“ an die bisherige Stadt

■ Der Masterplan City-Ost sieht die Wiederherstellung des barocken Stadtgrundrisses und Stadtbildes vor. Noch bevor der Plan am 29. November erstmals vorgestellt wird, veröffentlicht die taz die Einzelheiten

Geht es nach dem Willen von Hans Stimmann und Dieter Hoffmann-Axthelm, gilt es ab dem 29. November die Mitte der Stadt neu zu denken. Statt der baulichen Zeugnisse des DDR-Städtebaus wollen der Staatssekretär des Stadtentwicklungssenators und sein Chefplaner wieder Häuserkränze, Blockrandbebauungen und das alte Straßenraster der barocken Stadt in die Stadtmitte setzen. Offiziell soll der geheim gehaltene „Masterplan City-Ost“ erst am 29. Oktober im Stadtforum vorgestellt werden. Die taz bringt Einzelheiten des Planwerks bereits jetzt an die Öffentlichkeit.

Grundlage des Masterplans ist der barocke Stadtgrundriß des 17. und 18. Jahrhunderts, dem sich langfristig auch die Straßenführung innerhalb des ehemaligen Festungswalls, der die mittelalterlichen Städte Berlin und Cölln sowie den Friedrichswerder umschloß, unterordnen soll. So sollen etwa die parallel zur Spree und quer zu den Achsen Karl-Liebknechtstraße und Rathausstraße verlaufenden Straßen wieder bis zur Rochstraße verlängert werden.

Sowohl die Littenstraße als auch die Kloster- und Jüdenstraße würden demnach über die Grunerstraße, den Panoramaplatz und die Karl-Liebknecht-Straße verlaufen. Das würde für die Rathauspassagen sowie für die nördliche Randbebauung der Karl-Liebknecht- Straße das Aus bedeuten.

Eine weitere Änderung des Straßenrasters soll die Stadtfigur der Königstadt wiederherstellen. Vorgesehen ist, die Landsberger Allee durch die Wohnblocks hindurch bis zur Kreuzung Otto- Braun-Straße, Alexanderplatz, Karl-Marx-Allee durchzustechen. An dieser Stelle würde dann das ehemalige Königstor wieder entstehen.

Aber nicht nur der Stadtgrundriß, auch die städtebauliche Idee des Masterplans ist Altberlin verpflichtet. Außergewöhnlichstes Vorhaben ist dabei wohl die Wiedererrichtung der ehemaligen Königsfreiheit, eines im 19. Jahrhundert abgerissenen Gebäudeensembles zwischen Schloß und Spreekanal. Aber auch der städtebauliche Kern des mittelalterlichen Berlin soll in Blockrandbebauung auf dem Areal des heutigen Panoramaplatzes wiederbelebt werden. Dabei macht die Planung (siehe Grafik) nicht einmal vor einer Umbauung der Marienkirche oder des Fernsehturms Halt.

Der südöstliche Teil des alten Berlin soll schließlich in Parzellenstruktur vor dem Stadthaus von Ludwig Hoffmann bis zur Spree wiedererbaut werden. Einzig der alte Krögel, eine schmutzige Gasse zwischen Molkenmarkt und Spree, war den Planern dann wohl doch eine Nummer zu historisierend. Als Reminenszenz an den DDR- Städtebau soll wohl auch das Zugeständnis gelten, wenigstens das Marx-Engels-Forum unbebaut zu lassen.

Auf dem Straßenraster des ehemaligen Cölln soll vor allem die Bebauung der Fischerinsel versteckt werden. Ebenfalls in Parzellenbauweise sollen hier die Hochhäuser zwischen Friedrichsgracht und Gertraudenstraße ummäntelt werden. Neu entstehen würde auch der Spittelmarkt. Selbst der seit dem Schleifen des Memhardschen Befestigungswalls Anfang des 18. Jahrhunderts nicht bebaute Grünstreifen zwischen Oberwall-, Niederwallstraße und dem ehemaligen ZK-Gebäude soll in Blockbauweise versiegelt werden.

Das in seiner Bebauungsdichte bislang beispiellose Planwerk firmiert in der stadtphilosophischen Vorstellungswelt von Hans Stimmann und seines Planers Hoffmann-Axthelm als Wiedergewinn des „Primats der Mitte“. Wohlwissend, daß mit einer solchen Bebauungsdichte, die sich zur Hochhausplanung am Alexanderplatz gesellt, die vom Masterplan seltsamerweise unberührt bleibt, die polyzentrale Struktur der Stadt auf dem Spiel steht, haben die Autoren des Masterplans bereits die Flucht nach vorn angetreten. In einem Diskussionspapier zum Stadtforum heißt es, das Planungswerk sei eine „Kampfansage an die bisherigen Vorstellungen der Bezirke, Senatsverwaltungen, Bürgerinitativen und Parteien“.

Kein Wunder: Der Masterplan ist nicht nur ein Affront gegen die Bereichentwicklungsplanung des Bezirks Mitte, mit der die DDR- Moderne weiterentwickelt und städtisch verdichtet werden soll. Er ist auch der Versuch, die Geschichte des DDR-Städtebaus aus dem Stadtbild zu radieren. Entsprechend einhellig fällt daher die Kritik an Hoffmann-Axthelms Masterplanung aus. Der Architekturkritiker Wolfgang Kil begreift den Plan als Versuch, den Bestand der DDR-Moderne „zuerst ideologisch zu desavourieren, um ihn dann baulich entfernen zu können“. Die Baustadträtin von Mitte, Karin Baumert, räumt zwar einen städtebaulichen Planungsbedarf für die Stadtmitte ein. Doch statt die baulichen Zeugnisse der DDR zu entfernen, müssen diese „weiterentwickelt und, wo nötig, in Quartierstrukturen verdichtet werden“. Uwe Rada

Die taz wird bis zum 29. November in mehreren Beiträgen eine Debatte über den Master-Plan beginnen