Wozu braucht Barbara den Erich?

■ betr.: „Erich, wir brauchen Dich!“, Rezension von Barbara Bollwahn, taz vom 29. 10. 96

Mich ärgert weniger, daß die Autorin uns ein Büchlein vorstellt, in dem rund 100 (n)ostalgische Grüße an Honecker in Moabit mit „subjektiver Auswahl“ versammelt wurden. Aber daraus Schlüsse über „den Ostler“ ziehen zu wollen, ist ja wohl das Letzte, es sei denn in Form einer fröhlichen Spekulation über die fünfzehnkommaundsoweiter Millionen Ostdeutschen, die Honecker gar nicht geschrieben haben. [...]

Liebe Frau Bollwahn, wie sie „der Ostler“ sagen, das erinnert mich fatal an den Blick der Biologen auf Arten von Lebewesen. Was mag das für eine sonderbare Rasse sein, „der Ostler“ (die weiblichen Exemplare natürlich eingeschlossen). Ich versage mir, als Rache darüber zu rätseln, was es wohl mit „dem Westler“ auf sich haben könnte, denn ich wußte ja schon vor 1989, daß zwischen Helmut Kohl, Heinrich Böll, Konrad Adenauer, Günter Grass, Tante Frieda aus Köln und manchen Zeitungsschreibern Welten liegen – ebenso wie zwischen Bert Brecht, Walter Ulbricht, Anna Seghers, Erich Honecker, Heiner Müller, Erich Mielke, Manfred von Ardenne und Bauer Schulte auf der Insel Rügen. Intelligenz, aber auch deren beklagenswerte Abwesenheit gibt's im Osten wie im Westen – der Artikel belegt es. Seien Sie drum nicht sauer, Frau Bollwahn. Nehmen Sie die Polemik als herzlichen Gruß Dietrich Pätzold, Rostock