Ein Herzinfarkt zur rechten Zeit

Der iranische Schriftsteller Ghaffar Hosseini ist tot. Freunde vermuten einen Zusammenhang mit dem Verschwinden seines Berufskollegen Faradsch Sarkui und dem „Mykonos“-Prozeß  ■ Von Thomas Dreger

Berlin (taz) – Nachdem sich Ghaffar Hosseini mehrere Tage nicht gemeldet hatte, wurden seine Bekannten nervös. Der iranische Schriftsteller erschien nicht zu Verabredungen und ging auch nicht ans Telefon. Am Dienstag brachen Hosseinis Freunde seine Teheraner Wohnung auf – der Regimekritiker war tot.

Ihr Mann sei an einem Herzinfarkt gestorben, erfuhr Hosseinis in Paris lebende Ehefrau. Kein ungewöhnlicher Tod für einen Mann in den späten Fünfzigern. Dennoch mißtraut sie den Angaben. Schließlich waren Hosseini und zwölf Kollegen am 8. September für mehrere Tage verhaftet worden, als sie in einer Privatwohnung über eine Wiederbelebung des iranischen Schriftstellerverbandes berieten. Einer der damals Verhafteten, der Literaurkritiker Faradsch Sarkui, verschwand am 3. November auf dem Teheraner Flughafen, als er seine Familie in Deutschland besuchen wollte. Am Mittwoch flog Hosseinis Frau nach Teheran, um ihrem Mann die letzte Ehre zu erweisen und Aufklärung über die Umstände seines Todes zu bekommen.

„Herzinfarkt als Todesursache eines Intellektuellen im Iran – da besteht Grund zu Mißtrauen“, meint der im Münchner Exil lebende iranische Schriftsteller Said. Tatsächlich muß die tödliche Durchblutungsstörung des Herzmuskels in der Islamischen Republik auffallend oft als Todesursache von politischen Querdenkern herhalten. So starb daran 1994 der Autor Saidi Sirdschani nach achtmonatiger Haft und vermutlich Folter. Und im Oktober 1995 wurde die gleiche Todesursache bei dem Übersetzer Ahmad Mir Alaii diagnostiziert. Er lag tot auf einer Straße in Isfahan, mit einer Whiskyflasche in der Jackentasche und einem Injektionseinstich am Arm. Regimekritiker vermuten einen „Betriebsunfall“ bei einem allzu ruppigen Verhör.

Der jetzt verstorbene Ghaffar Hosseini hat eine lange politische Geschichte im Iran. Zu Schahzeiten im Schriftstellerverband aktiv, landete er im Gefängnis. Nach der Islamischen Revolution ging er Anfang der 80er Jahre mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen nach Frankreich ins Exil. Anfang der neunziger Jahre entschloß er sich zur Rückkehr. Wieder im Iran, trat er in Kontakt mit kritischen Kollegen, die im Lande geblieben waren. Trotz repressiver Gesetze und ungeschriebener Verbote versuchen Schriftsteller und Übersetzer im Iran in kleinen Zeitungen immer wieder, die Grenzen des Möglichen ein wenig auszuweiten. Einer der größten Schritte war 1994 die „Erklärung der 134“. In einer aufsehenerregenden Petition an die Regierung klagten 134 Intellektuelle die Freiheit der Meinung und des Wortes ein. Unter den Unterzeichnern waren auch Ghaffar Hosseini und Faradsch Sarkui.

Die Führung der Islamischen Republik reagierte auf ihre Art. Einige Unterzeichner, wie der 69jährige Ahmad Schamlou, wurden in staatstragenden Zeitungen als „sexuell abartig“ denunziert, andere als „Marionetten des Auslands“. Keiner der Unterzeichner durfte seither ein Buch veröffentlichen. Einige erhielten Besuch von „Hisbollahi“ – Schlägertrupps, deren Auftraggeber im Umfeld von Irans religiösem Führer Ali Chamenei vermutet werden.

Regimekritische Exiliraner befürchten einen Zusammenhang zwischen dem Tod Hosseinis und dem Verschwinden Sarkuis. Beides seien „Indizien, daß die ganze Gruppe der 134 in Gefahr ist“. Auch nach dem Verschwinden Sarkuis kursierten Gerüchte, er habe am Flughafen einen „Herzinfarkt“ erlitten. Der Exilant Said sieht noch eine andere Möglichkeit. Im Zusammenhang mit dem in Berlin laufenden „Mykonos“- Prozeß habe die iranische Führung der Bundesregierung mehrfach signalisiert: Sollte in dem Prozeß um den Mord an vier oppositionellen iranischen Kurden 1992 in dem Berliner Lokal „Mykonos“ ein Urteil gesprochen werden, das die iranische Staatsführung beschuldige, drohten „Konsequenzen“.

Eine Möglichkeit der Vergeltung könnte „ein Gerichtsprozeß in Teheran“ sein, meint Said. Im „Mykonos“-Prozeß hat die Bundesanwaltschaft diese Woche ihr Plädoyer gehalten. Vorwurf an die iranische Führung: „Staatsterrorismus“. Faradsch Sarkui hatte nach einer Verhaftung bei einem Treffen von Literaten am 28. August in der Wohnung des Kulturreferenten der deutschen Botschaft, Jens Gust, berichtet, beim Verhör sei ihm „Spionage für Deutschland“ vorgeworfen worden.