Eiszeit auch ohne Alster

Haben die Inlineskates die Schlittschuhe abgelöst? Die Hamburger Eissportvereine klagen über Nachwuchssorgen  ■ Von Christine Andersen

Dick vermummt, mit der Grazie eines Eisbären, werden die ersten Schritte gewagt. Die Mütze ist bis zur rotgefrorenen Nasenspitze gezogen und drei Paar Socken bemühen sich vergeblich, die Füße in den dünnen Stiefeln zu wärmen. Das Eis knirscht und knackt, die Beine haben einen unvorteilhaften Hang zur Grätsche, doch langsam werden die Bewegungen flüssiger – Schlittschuhlaufen verlernt man schließlich nicht. Nebenan fräst jemand lässig-elegant eine Acht ins Alstereis. Das kann doch nicht so schwer sein! Doch auf die Pirouette folgt der Fall.

Was so manch eineR jeden Winter aufs neue probiert, lernen andere von der Pike auf im Eissportverein. Drei davon gibt es in Hamburg – auch das Programm des Uni-Breitensports hilft WintersportlerInnen auf die Kufen. Geboten wird mit Eiskunstlauf, -hockey und Eisschnellauf ein weitgefächertes Angebot für alle Alterstufen – bis hin zum Eisstockschießen.

„Bei uns beginnen die Kinder mit etwa vier Jahren“, erzählt Swantje Fischer-Rau, die als Trainerin für alle drei Hamburger Vereine arbeitet. „Die Kleinen sind mit großer Begeisterung dabei“, begegnet sie Bedenken wegen zuviel und zu früher Disziplin. „Ich versuche ihnen soviel wie möglich ihren Fähigkeiten entsprechend beizubringen.“ In den zahlreichen Gruppen können natürlich auch jugendliche und erwachsene HamburgerInnen unter Anleitung Schlittschuh laufen lernen; in der „Mutter-Vater-Kind-Gruppe“ beispielsweise schlittern Kinder und Eltern gemeinsam übers blanke Eis.

Das Hamburger Angebot richtet sich vor allem an HobbyläuferInnen, denn die Trainingsbedingungen können mit denen anderer Sportvereine nicht konkurrieren. Zu kurz und zu teuer, so Inge Schmidt, Eislaufwartin des Hamburger Eissportverbandes, seien die Zeiten, in denen die im Verband aktiven Eissportler die in Hamburg vorhandenen Eisflächen nutzen können: „In Farmsen teilen sich sechzehn Formationsläufer mit drei Tanzpaaren und noch sieben bis acht Einzelläufern eineinhalb Stunden lang eine Bahn.“ Dennoch nehmen regelmäßig auch Hamburger EiskunstläuferInnen an der Deutschen Meisterschaft teil – die Landesmeisterschaft findet am 25. Januar 1997 statt. Vorher stellen am 14. Dezember die Hamburger AmateurInnen im Rahmen eines Weihnachtsschaulaufens ihr Können unter Beweis; Veranstaltungen, mit denen der Verband um Mitglieder wirbt. „Wir brauchen dringend Nachwuchs“, appelliert Ursula Faber, Schriftführerin des Hamburger Verbandes.

Ist die Zeit vorbei, in der ein neues Paar Schlittschuhe unter dem Weihnachtsbaum Kinderherzen höher schlagen ließ? Inlineskates jedenfalls stehen höher auf der Wunschliste, schließlich bieten sie dem imagebewußten Teenager samt passendem Outfit ganzjährigen Fun angesichts Hamburger Wetterverhältnisse. So manches Sportgeschäft hat nur noch spontan Eislaufbedarf in seinem Programm. „Sollte es wieder so frieren wie im letzten Jahr, dann kaufen wir Schlittschuhe ein“, sagt Erdogan Hassan von Nielsen Sport.

„Ich denke nicht, daß Inlineskating das Eislaufen abgelöst hat.“ Für Inge Schmidt ist das mehr eine Frage der Disziplin: „Die jungen Leute auf Rollerblades möchten einfach nur frei fahren und nicht einem Verein beitreten.“ Und auch der finanzielle Aspekt mag eine Rolle spielen. Eislaufen ist teuer, denn neben Vereinsbeitrag und Ausrüstung muß für die Benutzung der Eisbahn gezahlt werden. Dann allerdings kann zweimal in der Woche unter professioneller Anleitung Schlittschuh gelaufen werden.

Wer es vorzieht, weiter nach eigenem Gusto Pirouetten zu drehen, kann dies entweder auf einer der drei Hamburger Eislaufbahnen tun – oder hofft auf eine zugefrorene Alster. Nach Einschätzung von Inge Schmidt ist diesmal das Warten allerdings vergeblich: „Ich habe bisher kaum Eicheln gesehen, und die versprechen einen kalten Winter.“

Auskünfte zum Eissportprogramm in Hamburg gibt's bei der Eislaufwartin des Hamburger Eissportverbandes, Inge Schmidt, unter 224 551 und über die Infoline des Hochschulbreitensports, 41 23-54 54/36 05.

Die Öffnungszeiten und Preise der drei Hamburger Eislaufbahnen sind telefonisch abrufbar:

Eissporthalle Farmsen, Berner Heerweg 152, 643 32 00;

Eisbahn Große Wallanlagen, Haupteingang Holstenwall,319 35 46;

Eisbahn Stellingen, Hagenbeckstraße 124, 543 152.