Enteignungen bleiben

■ Verfassungsgericht: Sowjetische Enteignungen bis 1949 haben Bestand

Karlsruhe (taz) – Die kurz nach Gründung der DDR als „Kriegsverbrecher und Naziaktivisten“ enteigneten Grundeigentümer in Ostberlin haben keinen Anspruch auf Rückgabe ihrer Immobilien. Dies entschied gestern das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Es bestätigte damit ein Grundsatzurteil des Berliner Bundesverwaltungsgerichts.

Bereits in mehreren Entscheidungen hatte das Verfassungsgericht festgestellt, daß Enteignungen durch die sowjetische Besatzungsmacht nicht rückgängig zu machen sind. In Ostberlin lagen die Dinge jedoch komplizierter. Da Berlin nach Kriegsende von den Alliierten gemeinsam verwaltet worden war, mußte sich die UdSSR anfangs eine gewisse Zurückhaltung auferlegen. Erst nach der politischen und administrativen Teilung Berlins im Sommer und Herbst 1948 wurde Ostberlin konsequent in das sowjetische Besatzungsgebiet einbezogen.

Deshalb war man auch mit der Enteignungspolitik in Ostberlin etwas spät dran. Die zur Enteignung anstehenden Grundstücke wurden dabei in Listen zusammengestellt. Die umstrittene Liste 3 datiert allerdings erst vom 14.11. 1949. Die DDR war bereits einen Monat zuvor gegründet worden. Die gestern abgelehnte Verfassungsbeschwerde hatte deshalb bestritten, daß es sich bei Enteignungen auf Grundlage der Liste 3 noch um Besatzungsmaßnahmen handelte.

Das Verfassungsgericht hielt es dagegen für „unbedenklich“, auch diese Enteignungen als „besatzungshoheitliche Maßnahmen“ anzusehen, „da sie durch Akte der sowjetischen Besatzungsmacht gezielt ermöglicht wurden und maßgeblich auf deren Entscheidung beruhten“. Karlsruhe setze damit seine Rechtsprechung fort, die die Eigentumsverhältnisse in der DDR (soweit rechtlich umstritten) in der Regel unangetastet lassen. Die Kläger gehen allerdings nicht leer aus, sondern werden finanziell entschädigt.

In dem gestrigen Fall hatte eine Hertie-Tochterfirma geklagt, die das Grundstück des von den Nazis verfolgten jüdischen Kaufhausbesitzers Wertheim in der Leipziger Straße beanspruchte. (Aktenzeichen: 1 BvR 707/95) Christian Rath