„Differenziert ausjäten“ ist nötig

Siemens präsentiert seine Bilanz: Der Gewinn steigt, das Unternehmen verkauft Geschäftsbereiche. In zwei Jahren soll es erstmals mehr ausländische als deutsche Siemensianer geben  ■ Aus München Felix Berth

Die großen Gewinnsprünge beim Siemens-Konzern bleiben aus. Zwar sind die Bilanzzahlen, die der Vorstandschef Heinrich von Pierer gestern vorlegte, nicht mehr so bescheiden wie noch vor wenigen Jahren.

So stieg der Konzerngewinn im Geschäftsjahr 1995/96 bei einem Umsatz von 94 Milliarden Mark um 20 Prozent auf 2,5 Milliarden. Doch im nächsten Jahr erwartet der Siemens-Chef keinen Anstieg der Gewinne, weil vor allem in den Bereichen Medizintechnik, Verkehrstechnik und Bauelemente schlechtere Ergebnisse absehbar sind.

Von Pierer hofft allerdings, daß diese „Verschnaufpause“ bei den Gewinnen in einem Jahr vorüber ist. Er kündigte an, die internen Reformen zur Steigerung der Produktivität weiterzutreiben: „Wir werden die Schlagzahl erhöhen. Mir geht die Produktivitätssteigerung auch zu langsam“, erklärte er gestern – obwohl in den letzten drei Jahren 30.000 Arbeitsplätze im Inland gestrichen wurden.

Das Geschäft im Ausland läuft insgesamt erheblich besser als im Inland. So schuf Siemens im Ausland im letzten Jahr 14.000 neue Arbeitsplätze, während die Zahl der Jobs in der Bundesrepublik um 8.000 gesenkt wurde. „In zwei Jahren“, erwartet von Pierer, „werden wir erstmals mehr als die Hälfte der Mitarbeiter außerhalb Deutschlands haben.“ In den letzten drei Jahren sank die Zahl der Siemens-Mitarbeiter im Inland um knapp 15 Prozent.

Besonders in Asien expandiert der Konzern. Dort arbeiten mittlerweile 45.000 der insgesamt 379.000 Mitarbeiter; schon bald werden dort zwanzig Prozent der Siemens-Geschäfte erledigt. Der Anteil des Deutschlandgeschäfts soll im Gegenzug von momentan knapp 40 auf unter 30 Prozent sinken, so von Pierer. Trotzdem sieht der Siemens-Vorstandsvorsitzende die ausländischen Kollegen nicht als Konkurrenz für die „Siemensianer“ im Inland: „Allein unser Engagement in Asien sorgt mittlerweile für rund 40.000 Exportarbeitsplätze bei Siemens in Deutschland“, so von Pierer.

Auch in Zukunft will Siemens manche Teile des Unternehmens verkaufen, wenn sie nicht zum „Kerngeschäft“ passen. Ein „differenziertes Ausjäten in einzelnen Bereichen“ sei notwendig, erklärte der Siemens-Chef. Welche Sparten davon betroffen sein werden, wollte er gestern jedoch nicht erklären. Erst kürzlich hatte der Siemens-Konzern die Herstellung von Herzschrittmachern und Hochleistungsdruckern aufgegeben und die Abteilungen verkauft. Allerdings nicht aus Not: Nach eigenen Angaben lagern auf den Konten des Konzerns derzeit 22,5 Milliarden Mark liquide Mittel.