Immer häufiger wird die Berichterstattung der Medien behindert, werden Redaktionen auf der Suche nach brisantem Material durchsucht. Ein Gesetzentwurf der Bündnisgrünen soll Eingriffe in die Pressefreiheit erschweren. In Bonn besteht Einigk

Immer häufiger wird die Berichterstattung der Medien behindert, werden Redaktionen auf der Suche nach brisantem Material durchsucht. Ein Gesetzentwurf der Bündnisgrünen soll Eingriffe in die Pressefreiheit erschweren. In Bonn besteht Einigkeit, daß die Wächterfunktion der Medien gestärkt werden muß, doch der Antrag geht Koalition und SPD zu weit.

Medien als Helfer der Staatsmacht?

Die Geschichte war nicht ohne unfreiwillige Komik, das sieht selbst der Bonner Unionsabgeordnete Horst Eylmann so. Da wurden im Mai 1995 die Redaktionsräume des Münchner Boulevardblatts Abendzeitung durchsucht – allein in der Hoffnung, dort Fotos von sieben Frauen zu finden, die in der Adventszeit des Vorjahres aus Protest gegen die Pelzmode nackt über den Marienplatz gehuscht waren. Der Vorwurf der Staatsanwälte hieß „nicht genehmigte Demonstration“; Anlaß genug für eine Durchsuchung. Da werde wohl „mit Kanonen auf Spatzen“ geschossen, urteilte Eylmann am Dienstag voriger Woche im Bundestag.

Dies ist nur eines von vielen Beispielen, wenn auch ein vergleichsweises lustiges. Immer häufiger versuchen PolizistInnen und StaatsanwältInnen, JournalistInnen und Redaktionen in die Rolle von Hilfsarbeitern der Strafverfolgung zu zwingen. In den letzten Jahren häuften sich staatliche Eingriffe in die Pressefreiheit – von der Behinderung der Berichterstattung durch gewaltige Absperrmaßnahmen, körperliche Übergriffe auf Kameraleute und FotografInnen bis zu Hausdurchsuchungen und der Beschlagnahme selbstrecherchierter Unterlagen und Bekennerschreiben.

Seit die Eingriffe der Strafverfolgungsbehörden auch vor so etablierten Sendungen wie dem ZDF- Magazin frontal oder dem ARD- Konkurrenten Monitor nicht halt machen, scheint erstmals seit Jahren der Protest der Journalistenverbände, Verleger und Gewerkschaften auf offene Ohren zu stoßen. Letzte Woche berieten die Fraktionen im Bundestag in erster Lesung einen Gesetzentwurf von Bündnis 90/ Die Grünen. Dessen Ziel ist es, das Zeugnisverweigerungsrecht für PressemitarbeiterInnen auszuweiten und den „Beschlagnahmeschutz für deren Material“, also Fotos, Akten und Notizen entscheidend zu verbessern. Gerald Häfner, der für die Bündnisgrünen den Antrag vorstellte: „Die Presse braucht Unabhängigkeit von staatlicher Bevormundung und Schutz vor beeinträchtigenden Eingriffen des Staates“.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat mehrfach die „Wächterrolle“ der Medien festgeschrieben. Zugleich urteilte es aber auch, das Zeugnisverweigerungsrecht auf „Informantenschutz“ zu beschränken. Die Folge: Selbstrecherchiertes Material ist vor dem Zugriff der Strafverfolger nicht geschützt. Im Alltag läßt sich aber der Trennungsstrich zwischen zugetragenem und selbst erarbeitetem Material nicht ziehen.

Im Grunde halten von der Koalition über die SPD bis zur PDS alle die Initiative der Bündnisgrünen für notwendig, da die Folgen des Karlsruher Urteils nicht zu halten seien. Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) erklärte: „Der Gesetzentwurf der Grünen verfolgt ein Ziel, das wir alle unterstützen: die Presse vor Übergriffen besser zu schützen.“ Grundsätzlich, so der Bonner Rechtspolitiker der SPD Jürgen Meyer, müsse der Schutz des Redaktionsgeheimnisses „auch auf selbstrecherchiertes Material erstreckt werden“. FDP-General Guido Westerwelle steht dem nicht nach; er will JournalistInnen ein Zeugnisverweigerungsrecht „wie anderen Berufsgeheimnisträgern“ zugestehen.

Einig sind sich die Fraktionen aber auch in einem anderen Punkt: Mit Ausnahme der PDS geht ihnen der Gesetzentwurf der Grünen zu weit. Die wollen den Schutz vor Beschlagnahme nur dann durchbrochen sehen, wenn der betroffene Journalist selber im Verdacht steht, eine Straftat begangen zu haben. Darüber hinaus sollen die Zeugnisverweigerungsrechte auch für BerichterstatterInnen gelten, die nicht hauptberuflich für Medien arbeiten. Beides lehnen Koalition und SPD als zu weitreichend ab. Kurioserweise verweist die SPD mit einem Mal auf einen eigenen Entwurf aus der Länderkammer – der ist immerhin acht Jahre alt und dümpelte drei Legislaturperioden vor sich hin.

Die Gesetzesanträge sind inzwischen in den federführenden Rechtsausschuß verwiesen worden. Erstmals seit Jahren scheint greifbar, daß dem schleichenden Abbau der Pressefreiheit ein Ende gesetzt wird. Wenn die Medien aber ihrerseits die ihr zugedachte Unabhängigkeit nicht ernst nehmen, wie im Fall der Illustrierten Stern (siehe unten), dann erübrigen sich solche Initiativen. Wolfgang Gast