Press-Schlag
: Ein kleiner Schluck, sorgfältig geprüft

■ Gewissenlose Rezension eines sportlich-christlichen Teebeutels

Allerlei Post flattert einem vor Weihnachten in die Redaktion, die auf Publikationen hinweist, welche unbedingt zum Fest besprochen werden sollen. Zum Beispiel ein Kuvert vom Projekt „Pro Bibel im Sport“, welches nach eigenen Angaben „wegen des großen Interesses am Thema ,Christ und Sport‘, auch bei den Medien“ gestartet wurde. Initiator des Projekts ist der Verein „Sportler ruft Sportler“ (Kölner Straße 23a, 57610 Altenkirchen), der rechtzeitig zu Weihnachten eine von der European Christian Sports Union herausgegebene Sportlerbibel des Titels „Mit vollem Einsatz“ vertreibt. Darin findet sich das Neue Testament, angereichert mit 21 „Lebensberichten“ internationaler, dem Christentum verfallener Spitzensportler- und sportlerinnen wie Bernhard Langer, Jorginho, Evelyn Ashford, Michael Chang oder Wynton Rufer.

Da unser Interesse am Thema „Christ und Sport“ zügig gen null tendiert, sehen wir von einer Rezension dieses Elaborats ebenso zügig ab. Vielmehr interessiert uns der beigelegte Teebeutel.

„Gießen Sie sich doch einen Tee auf, und erlauben Sie sich schon vor dem Weihnachtsfest eine Ruhepause“, heißt es in dem Schreiben, dem praktischerweise besagtes Genußmittel angeheftet ist. Das lassen wir uns natürlich nicht zweimal sagen, obwohl wir nicht umhin können, eine klare Benachteiligung eingefleischter Kaffeetrinker zu konstatieren. Aber warum soll man nicht mal etwas Neues probieren? Frisch voran also zur ausgiebigen Rezension eines ins Haus geschneiten vorweihnachtlichen Teebeutels.

Wenden wir uns zunächst dem Äußeren zu. Ganz oben ein chinesisches Schriftzeichen. Darunter der Firmenname, den wir aus Gründen der Diskretion und aus Gehässigkeit verschweigen wollen. Es folgen vier knappe Informationen: „Schwarzer Tee“, „Ceylon“, „kräftig-aromatisch“ und „Füllgewicht 1,75 Gramm“. Das ist kurz, prägnant, informativ, vermutlich sogar wahr und entbehrt dennoch nicht einer gewissen Poesie. Die Haiku-artige Knappheit des Ausdrucks, die sanft mitschwingende Exotik, die fast brutal in den streng bürokratischen Schluß mündet, verrät die Hand des Meisters. Ein gelungener Auftakt, der das Interesse am untersuchten Objekt wachhält wie ein doppelter Espresso.

Drehen wir den Beutel um! Wieder das Schriftzeichen und der Firmenname, dann ein Stück ausgewählte Prosa: „Zubereitung: Pro Tasse einen Aufgußbeutel mit frischem, sprudelnd kochendem Wasser übergießen und 5 Minuten ziehen lassen. Wir empfehlen für den Aufguß weiches Wasser oder Quellwasser ohne Kohlensäure.“ Das ist aufschlußreich und bildend, trotz der unvermittelten Vagheit, ja, Beliebigkeit, die sich am Ende breitmacht, aber vom kategorischen Imperativ der „5 Minuten“ mehr als aufgewogen wird. Ganz unten steht noch die Adresse des Herstellers, was sehr praktisch ist, weil man auf diese Weise bei Wohlgefallen sofort einen weiteren Teebeutel direkt beim Erzeuger bestellen kann.

Der praktischen Erprobung steht nun nichts mehr im Wege. Erschwert wird diese allerdings dadurch, daß das erforderliche sprudelnd kochende Wasser von „Sportler ruft Sportler“ leider nicht mitgeliefert wurde. Schließlich ist jedoch auch diese Hürde genommen, und nach weiteren fünf Minuten – handgestoppt – steigt uns ein charakteristischer Duft in die Nase. Ein kleiner Schluck, sorgfältig im Munde geprüft, bestätigt unseren Verdacht: Tee! Unverkennbar! Das Aroma ist befriedigend, die erfrischende Wirkung kann, wenn auch nicht mit einem gut gezapften Halben, so doch mit manchem Mineraldrink durchaus mithalten. Und sogar die avisierte Ruhepause stellt sich ein, da das Zeug verdammt heiß ist und nur sehr langsam in kleinen Schlucken genossen werden kann.

Fazit: ein Produkt, das jedem Küchenschrank zur Zier gereicht und auch als Halbzeittee für Christen und Sportler oder beide allzeit empfohlen werden kann. Wir aber bleiben beim Kaffee.

Sollte jedoch im nächsten Jahr möglicherweise das Alte Testament mit noch mehr Lebensberichten internationaler Spitzensportler erscheinen und diesem ein Fläschlein Meßwein beiliegen, würden wir uns eventuell sogar breitschlagen lassen, das ein oder andere Kapitel zu lesen. In froher Hoffnung... Matti Lieske