Kinkels Konferenz total vermint

■ Erst rüsten, dann räumen: Wie sich auf der Bonner Minenräumkonferenz Waffenhersteller als Saubermänner geben. Unter den Teilnehmern waren mindestens vier Firmen, die auch an der Produktion von Minen beteiligt sind

Berlin (taz) – Heimlich stellen sie die Sprengkörper her, in der Öffentlichkeit präsentieren sie sich als Produzenten des passenden Minenräumgeräts. Wie sich Rüstungskonzerne geschickt ein moralisches Mäntelchen umhängen, belegte die gestern in Bonn zu Ende gegangene Minenräumkonferenz. Und das alles unter der schützenden Hand von Außenminister Klaus Kinkel (FDP).

Zu der internationalen Expertenkonferenz zum Thema Minenräumung hatte Kinkel auf den Bonner Petersberg geladen. Anlaß für dieses Treffen war ein Sieben-Punkte-Programm zur weltweiten Ächtung von Anti-Personen-Minen, das Kinkel im Juli vorgestellt hatte.

Die Konferenz wurde von einer Ausstellung begleitet, auf der internationale Konzerne ihr Minenräumgerät präsentieren konnten. Darunter waren allerdings mindestens vier Firmen, die gleichzeitig auch Minen produzieren. Zum Beispiel die Kieler Firma MAK. Sie gehört zum Düsseldorfer Rheinmetall-Verbund, der für die Bundeswehr die Flächenverteidigungsmine „Cobra“ herstellen soll. Geplante Einnahmen: 302 Millionen Mark. In Bonn zeigte die MAK den zivilen Minenräumpanzer „Rhino“. Sie baut für die Bundeswehr bereits den „Keiler“, einen militärischen Minenräumpanzer, der aber lediglich Schneisen in Minenfelder schlagen kann. Auch der vorgestellte Zivilpanzer garantiert keine 100prozentige Räumung, wie sie von Organisationen wie medico international gefordert wird. Zudem, so Thomas Gebauer von medico, seien die 45 Tonnen schweren Fahrzeuge in sumpfigem oder hügeligem Gelände nicht einsetzbar. Rheinmetall sagte zur taz, man habe seit 1993 keine Anti-Panzer-Minen mehr hergestellt. Von der Entwicklung der „Cobra“ wußte die Sprecherin nichts. Sie verwies aber darauf, daß eventuell bestehende Verträge geheim seien. Neben der MAK war auch die Flensburger Fahrzeugbau-Gesellschaft dabei. Sie gehört zum Nürnberger Rüstungskonzern Diehl, der am Einbau der Anti-Panzer-Mine AT-2 in Raketen beteiligt ist. Die Flensburger stellten ein ziviles Räumgerät mit dem Namen „Mineclearer 2000“ vor. Zum Diehl-Konzern gehört die Firma Junghans, die auf internationalen Rüstungsmessen damit wirbt, den Zündmechanismus der AT-2-Mine herzustellen. Von Diehl war gestern keine Stellungnahme zu erhalten.

Zu der Konferenz hatte Kinkel auch Vertreter des schwedischen Bofors-Konzerns und aus Südafrika Manager der Firma Mechem als „Experten für Minenräumung“, so Thomas Gebauer, eingeladen. Zu den Bofors-Produkten gehört die Anti-Panzer-Mine FFV 028 sowie die Anti-Personen-Splittermine FFV 013. Von der FFV 028 wurden 125.000 Stück auch an die Bundeswehr geliefert. Die südafrikanische Minenräumfirma Mechem ist eine Tochter des staatlichen Armscor- Konzerns, mit dem wiederum die Minenproduzenten Naschem und Sochem verbunden sind.

All diese Firmen tauchen in einer Untersuchung auf, die das Berliner Institut für transatlantische Sicherheit (Bits) für die Unicef erstellt hat. Im Rahmen dieser Untersuchung, so Thomas Küchenmeister vom Bits, wurden alle Konzerne identifiziert, die weltweit an der Produktion von Minen beteiligt sind. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte, sie wisse nichts davon, daß Aussteller auf der Anti-Minen- Konferenz selbst Minen produzieren würden.

Weltweit liegen mehr als 100 Millionen Minen in der Erde vergraben. Stündlich werden zwei Menschen durch „diese Pest“ (Kinkel) verstümmelt. Florian Gless