Ein Filmproduzent mit Namen Zufall

■ ImmigrantInnen in der DDR: Eine Diskussion mit der DEFA-Dramaturgin Erika Richter sowie dem Schriftsteller Omar Saavedra Santis in Hohenschönhausen

Das Haus F im Häuserkomplex 6 der Gehrenseestraße ist nicht eben der Ort, an dem man Film- entdeckungen erwartet. In der Trabanten-Taiga Hohenschönhausens hat sich nach 1989 äußerlich kaum etwas verändert. Eine Kaufhalle weniger, drei Supermärkte mehr, wohingegen der Zustand der Wohnsubstanz bestenfalls stagniert.

Waren es ehemals Unterkünfte vietnamesischer VertragsarbeiterInnen in der DDR, sind es jetzt Wohnheime für ImmigrantInnen. Im fünften Stock das Zimmerchen der „Bürgerinitiative Ausländischer MitbürgerInnen“. Hier gab es ein Unikum zu besichtigen: den einzigen DEFA-Spielfilm, der sich explizit mit dem Verhältnis eines Ausländers zu seinem Immigrationsland DDR auseinandersetzt.

Als dritter Spielfilm des DEFA- Regisseurs Lother Warnecke 1986 gedreht, bezieht sich die Handlung doch in zahlreichen Rückblenden auf die diktatorischen Verhältnisse etwa zehn Jahre zuvor, kurz nach dem Pinochet-Putsch gegen Allende. Vergleichbar am ehesten mit Fassbinders „Angst essen Seele auf“, spielt er im Bereich privater Beziehungen. Nur daß hier der Exilchilene Rogelio, jetzt Hilfsbeleuchter im Theater, die Perspektive vorgibt. Das Künstlermilieu ist ein Kunstgriff, der allzu häßliche Konfrontationen mit der DDR-Realität abfedert.

In erster Linie leidet Rogelio an der Entfremdung von zu Hause, aus der ein auch anderswo bekanntes „Gastarbeiterproblem“ resultiert: Man belügt sich gegenseitig. Der Sohn im Exil erfindet eine blonde Gretel als Gattin, die Verwandten wiederum verschweigen ihm den Tod der Mutter (Steffi Spira).

Insgesamt kommt die Republik gar nicht einmal schlecht weg, immerhin kann sie – eingedenk der Nazi-Vergangenheit – stolz sein, ein Asylland zu sein. Rogelio findet einen väterlichen Freund, den ehemaligen Spanienkämpfer „Don Stefan“, und so schließt sich der Kreis der unterschiedlichen Biografien.

Von den insgesamt etwa 800 DEFA-Spielfilmen, so die ehemalige Hauptdramaturgin der DEFA, Erika Richter, hatten „maximal 15 Produktionen die Ausländerproblematik“ zum Thema. Das Unikum selbst ist eines, das sich retrospektiv niemand so recht erklären kann, weder der chilenische Autor des Buches, Omar Saavedra Santis, noch die Dramaturgin. Liegt es am starken Szenario, das Saavedra Santis nach fünfjährigem Aufenthalt in der DDR mit autobiografischen Beobachtungen verfaßte? Oder war es schlicht Zufall, daß die Dramaturgin Erika Richter das Buch in die Hände bekam, immer auf der Suche nach guten Stoffen?

Offizieller Filmpolitik jedenfalls ist die Entstehung von „Blonder Tango“ nicht zu verdanken. Ebenso nur bedingt den ausländerpolitischen Direktiven. Völkerfreundschaft war Dogma, Segregation – bis zum internen Gebot, binationale Ehen und Liebesbeziehungen zu vermeiden – die Realität. Da half es auch nicht daß, wie Saavedra Santis sarkastisch anmerkt, „die Chilenen zum Hof gehörten“ (Honeckers Schwiegersohn war ein chilenischer Genosse).

„Blonder Tango“ blieb nach seiner Präsentation auf dem nationalen Spielfilmfestival in Karl-Marx- Stadt ein reiner Kritikererfolg. Als Kassenflop verschwand er in der Versenkung. Gudrun Holz