"Ikohlographie" in Vollendung

■ Im Casino des Abgeordnetenhauses ist ein dreiteiliges Ölgemälde mit Motiven vom Mauerfall enthüllt worden. Von Momper bis Kohl sind alle "Helden" abgebildet

Was dem Ritter sein Wandteppich, ist unseren Politikern ihr Triptychon: Jedoch keine Drachentöter zeigt das dreiteilige Ölgemälde des Künstlers Matthias Koeppel, sondern Szenen vom Fall der Mauer. Die 300.000 Mark teure Auftragsarbeit für das Abgeordnetenhaus wurde gestern im Casino mit Sonntagsreden, Sekt und TV-Präsenz enthüllt. Ein „Durchbrechen des Augenblicks auf etwas Größeres hin“, erhofft sich Initiatorin Hanna-Renate Laurin, Exparlamentpräsidentin, von dem Gemälde – durchbrochen werden allerdings nur die Grenzen des guten Geschmacks. „Wir sind das Volk“ – gut und schön. Im Mittelpunkt der Bilder stehen jedoch Konterfeis der politischen Kaste.

Da dirigiert per Megaphon ein rotbeschalter Walter Momper auf dem linken Bild Trabbis am Checkpoint Charlie. Ein etwas verhärmter Willy Brandt steht etwas verloren am linken Rand des mittleren Bildes – Kohl dagegen thront (wie immer) an zentraler Stelle: Im Fadenkreuz der Bildachsen gewährt „Helmut der Geschichtsträchtige“ Fernsehkameras eine Interviewaudienz. „Ikohlographie“ in Vollendung.

Hans-Dietrich Genscher spitzt derweil diskret im Hintergrund seine Ohren, und aus Hanna-Renate Lauriens Handtasche lugt – endlich ist es raus – die Morgenpost. Hinter der Nomenklatura erblickt der Betrachter die Menschen auf der Mauer, das Brandenburger Tor – und den Himmel: Pompös blähen sich die Wolken zum historischen Datum.

Eine Begegnung der dritten Art auf dem Bild rechts: „Richie“ Weizsäcker klopft einem DDR- Grenzpolizisten auf die Schulter. Natürlich nicht einfach so, sondern schon sehr staatstragend. Diepgen darf dabei zugucken. „Keine besonderen Vorkomnisse, Herr Präsident“, soll der DDR-Bürger in Uniform damals gesagt haben.

Den Betrachtern fallen Ungereimtheiten auf: Der SPD-Abgeordnete Nikolaus Sander verweist dezent darauf, daß zur Zeit der Maueröffnung Rot-Grün regierte. Doch sapperlot – grüne PolitikerInnen fehlt auf dem Bild. Und auch das noch: „Achten sie auf die Westperspektive“, raunt eine PDS-Abgeordnete. „Wer hat denn die Revolution gemacht?“ fragt sie berechtigterweise. Wessizentrismus, ohne Zweifel.

Aber sollte die PDS-Politikerin nicht froh sein? Das Volk bestraft Wandteppichhelden seit jeher mit albernen Lobgesängen: Wie sich das Lied „Prinz Eugen, der edle Ritter“ in ferner Zukunft in der Kohlschen Fassung anhören wird? Klemens Vogel