Deutschland-Streber contra Willemsen Von Wiglaf Droste

Manches war in dieser Woche über den Fernsehmann Roger Willemsen zu erfahren. Im Spiegel veröffentlichte Reinhard Mohr unter dem Titel „Der Knecht der Prominenz“ einen vernichtenden Artikel – vernichtend allerdings für Mohr. Denn was sich in seinem Text manifestiert, ist der neidische Aufschrei eines Menschen, der sich in jeder Hinsicht chronisch zu kurz gekommen fühlt.

Mohrs Vorgehensweise bei der versuchten Exekution Willemsens ist simpel: Zunächst bescheinigt er seinem Objekt, früher einmal über eine „präzis-direkte wie einfühlsame Fragetechnik“ und eine „klug artikulierte und bewegliche Neugier“ verfügt zu haben. Ob diese adjektivistische Versammlung etwas bedeutet und, wenn ja, ob das dann zutrifft, ist dabei ganz gleichgültig, geht es ja Mohr nur darum, Willemsen auf irgendeinen beliebigen Sockel zu stellen, um ihn dann mit möglichst viel Karacho herunterstürzen zu können.

Entsprechend zero sind Mohrs Anwürfe: Von „zunehmend opportunistischer Gesprächsführung“ ist die Rede – zunehmend wird gerne genommen, wenn man Tendenziöses zwar nicht belegen kann, es aber unbedingt behaupten möchte. Auch einen „Ritus vorgetäuschter Authentizität“ kreidet Mohr Willemsen an – da es Authentizität, außer im Reklametext und bei Maffay, Schorlemmer, Pur u. ä. Leuten, nicht gibt, kann sie auch nicht vorgetäuscht werden. So schwach steht Mohr da, daß er sogar die schlappe Frankfurter Rundschau zitieren muß, die Willemsen „parfümiertes Parlando“ vorhält – ja, in Frankfurt kann sogar das Rasierwasser sprechen.

Kaum hat Reinhard Mohr den feuilletonistischen Pflichtteil hinter sich gebracht, hebt er an zur Kür, und die ist nichts als Neid und Petzen. In „Hamburg-Harvestehude“, weiß Mohr, wohne Willemsen, „dort, wo Hellmuth Karasek spazierengeht, wo Ulrich Wickert joggt und Heiner Bremer seinen Hund spazierenführt“ – und wo der Streber Mohr, der die Nachbarschaft von Existenzen wie Karasek oder Wickert offensichtlich für wünschenswert hält, zu seinem großen Kummer nicht mit dabeisein kann, weil der Spiegel seine kleineren Kulturfittis dafür dann doch zu knapp hält.

Weil aber Mohr genau dorthin will, sein uninformativer Klatsch jedoch nicht ausreicht, um Willemsen abzuschießen und seinen Platz als, so Mohr, „Teil des Starsystems, des Medien-Jetsets“ einzunehmen, greift er auf ein altbewährtes Mittel zurück, auf die politische Denunziation. Willemsen nämlich, teilt Mohr mit, sei in Wahrheit kein guter Deutscher und auch, im Gegensatz zu Mohr, kein Fan der Bundesrepublik, jener „rechtsstaatlichen Demokratie mit Meinungsfreiheit und politischem Pluralismus“, von der Mohr so schön schwärmen und die er im Verein mit Henryk M. Broder so perfekt verkörpern kann.

Mohrs Beweismittel bei seinem Zuträgerjob ist Willemsens Buch „Kopf oder Adler – Ermittlungen gegen Deutschland“, in dem Willemsen 1990, als ein Volk von Reinhard Mohrs fahnenschwenkend und „Deutschland!“ johlend zu sich fand, bemerkte: „Deutsches Glück ist bewachtes, schon vorbeugend militant verteidigtes, also geradezu aggressives Glück.“ Und präziser lassen sich die Glücksvorstellungen des Hausmeisters Reinhard Mohr und seiner Landsleute kaum beschreiben.