AKW Mülheim-Kärlich ist viel teurer als Dagoberts Geldspeicher

■ Desaster für Erbauer, Betreiber und Behörde

Berlin (taz) – Billig sollte er sein, der Atomstrom. So billig, daß die Stromzähler sich nicht mehr rentieren würden, prognostizierten die Atomfreaks der sechziger Jahre. Daß die Planer allein schon zu dusselig für die Erfüllung dieser Prophezeiung sein würden, zeigte sich hervorragend am Reaktor in Mülheim- Kärlich. Er wurde zu einem der teuersten Reaktoren der Welt und produzierte trotzdem nur acht Monate lang Strom.

Der Bauantrag für Mülheim- Kärlich lief schon ab dem Jahr 1971. Der Energieriese RWE aus Essen war auf den Atomzug aufgesprungen, nachdem die Bundesregierung sichere Gewinne durch Zuschüsse und Abschreibungen garantiert hatte. Also wurden immer neue AKWs geordert. Eines der größten sollte am Rhein bei Koblenz stehen: ein Druckwasserreaktor mit einer Leistung von 1.300 Megawatt, konstruiert und gebaut von Babcock (heute ABB) und Hochtief.

Mit dem Bau war es von Anfang nicht einfach: Sofort nach der ersten Teilgenehmigung für den Bau am 9. Januar 1975 klagten Anwohner und die benachbarte Stadt Neuwied gegen den Reaktor. Ihr Protest galt unter anderem dem riesigen Kühlturm. Die Klagen wurden von verschiedenen Gerichten verworfen, neue Verfahren folgten. Die zweite Teilgenehmigung folgte 1977.

Unterdessen hatten die Erbauer mit erheblichen Problemen zu kämpfen. Sie hatten einfach eine angeblich hervorragende Konstruktion der amerikanischen Muttergesellschaft leicht modifiziert übernommen. Leider hatte der Baugrund am Rhein einige Tücken: an einer Ecke war er fest, an der anderen gab er nach. Außerdem fiel den Konstrukteuren noch auf, daß Teile des Atomkraftwerks direkt auf einer tektonischen Spalte standen – ein typischer Erdbebenherd. Daraufhin mußte das Maschinenhaus umgelegt werden.

Noch vor dem anvisierten Baubeginn 1979 kam allerdings die Reaktorkatastrophe von Harrisburg dazwischen: Ein Meiler des angeblich so überaus sicheren Babcock-Konzepts geriet außer Kontrolle. Nur mit viel Glück wurde damals eine Katastrophe wie in Tschernobyl verhindert. Zahlreiche Umbauten in Mülheim-Kärlich wurden nötig.

Am 15. März 1986 speist das AKW schließlich erstmals Strom in das Leitungsnetz ein. Die Baukosten waren von anvisierten 1,5 auf 7 Milliarden Mark angestiegen. Schon im Probebetrieb trat der erste meterlange Riß im Dampfleitungssystem auf, zwei weitere Störfälle folgten. Im Mai stand der Reaktor ganz still.

Im September 1988 schließlich hob das Bundesverwaltungsgericht Berlin die erste Teilgenehmigung wegen unzureichender Ermittlungen der Genehmigungsbehörde auf. Das AKW wird höchstrichterlich abgeschaltet.

Rheinland-Pfalz erläßt 1990 eine neue erste Teilgenehmigung. Diese wird nach heißem juristischem Hin und Her schließlich vom Oberverwaltungsgericht Koblenz am 14. November 1995 aufgehoben. Damit begründen die Betreiber die Schadensersatzforderungen gegen das Land. rem