■ Castor-Transporte und Konsensgespräche
: Kohle geht über Vernunft

Pünktlich zum anvisierten Hauen und Stechen um die Atommüllbehälter im Wendland Anfang März machen die Politiker aus Bund und Ländern die Wichtigkeit der Transporte klar: Je nachdem, wie zügig und preisgünstig nun der hochradioaktive Strahlenmüll in Betonhallen und Salzstöcken verschwindet, mauscheln SPD und CDU/CSU ihre Energiepolitik aus.

Nach einem durchgesickerten Papier sind sich die Experten schon einig, wie die Last für die Lagerung der AKW-Hinterlassenschaften und die Erhaltung der Steinkohlezechen zu verteilen wäre. Nun kommt es auf den Druck von unten an, ob die Politiker das Konsenspapier umsetzen können. Wenn die Polizei den Castor-Tiefladern mit vertretbarem Aufwand den Weg in die Lager freiräumen kann, sind die Kohle- und Stromkonzerne letztendlich die Sieger.

Laut dem Konsenspapier wird die Steinkohle dann noch einige Jahre großzügiger gefördert, als von der Bonner Regierung bisher geplant. Und die Last der End- und Zwischenlager trifft auch die Süd- und Ostdeutschen stärker. Da soll sogar die Genehmigung des einzigen existierenden Endlagers im Salzstock bei Morsleben um weitere fünf Jahre verlängert werden – obwohl das marode Bergwerk an der Elbe nach dem bundesdeutschen Atomgesetz wohl keine Chance auf eine Zulassung als Atomsarg bekäme.

Der Bonner Regierung ist es also geglückt, die SPD wieder an den Atom-Verhandlungstisch zu zwingen. Der größte Landesverband Nordrhein-Westfalen und Ministerpräsident Gerhard Schröder aus Niedersachsen brauchen mal wieder einen Erfolg. Und auch der Bonner Koalition steht angesichts ihres derzeitigen Erscheinungsbildes bei Wählern und Konzernbossen ein solcher Deal gut an.

Die Konzerne RWE und PreussenElektra könnten damit ihre Atomkraftwerke noch lange Jahre versilbern. Das klappt aber nur, wenn die Zwischen- und Endlager durch die Anti-Atom-Proteste in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen und nicht zu teuer werden. Aber auch der politische Flurschaden steht zur Debatte: Nur weil die Genossen aus NRW und Niedersachsen einen Vorteil haben, werden die anderen Länderchefs noch lange nicht begeistert sein. Sie müssen nämlich eventuell ihren Wählern Atomlager verkaufen, ohne daß das eigentliche Problem auch nur ansatzweise geklärt wäre: Wann werden die AKW in Deutschland endlich abgeschaltet? Diese Frage würde wohl erst wieder durch den Druck der Straße auf die Tagesordnung gehoben. Reiner Metzger