Sofortige Entschädigung gefordert

■ Siemens schlägt anläßlich der Hauptversammlung Protestwelle entgegen. Von Pierer verkündet Rekordergebnis

Berlin (taz) – Aufregung bei der Hauptversammlung der Siemens AG: Kaum hatte der Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer den AktionärInnen sein „Willkommen in Berlin“ zugerufen, stürmten rund zwanzig Mitglieder des Aktionsbündnisses „150 Jahre Siemens – Entschädigung jetzt“ auf das Podium im Internationalen Congress Centrum (ICC) und forderten die sofortige Entschädigung der ZwangsarbeiterInnen des Konzerns während des Nationalsozialismus. Dies lehnt Siemens ab.

Nach kurzer Unterbrechung kennzeichnete von Pierer die gestrige Hauptversammlung im 150. Jahr des Bestehens von Siemens als „herausragendes Ereignis für das Unternehmen“. Im vergangenen Geschäftsjahr sei beim Gewinn ein „Ergebnissprung um 20 Prozent auf 2,5 Milliarden Mark“ erreicht worden, sagte der Siemens-Chef. Der Umsatz betrug 1995/96 rund 94 Milliarden Mark. Die Siemens-AktionärInnen streichen eine Dividende von nunmehr 1,50 Mark – gegenüber letztmals 1,30 Mark – pro Fünf-Mark-Aktie ein.

Siemens wächst nach den Worten von Pierers zur Zeit vor allem im Ausland. Allein in Asien bringt es Siemens heute auf rund 15 Milliarden Mark Umsatz. Während die Zahl der MitarbeiterInnen des Konzerns weltweit auf 379.000 zugenommen hat, verringerte sich die Zahl der Beschäftigten in Deutschland um 6.000 auf 203.000. Von Pierer kündigte weiteren Stellenabbau an den deutschen Standorten an.

Auch für die Siemens-GegnerInnen war die Hauptversammlung ein „herausragendes Ereignis“. Der kritische Kleinaktionär Eduard Bernhard, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz, beantragte die Nichtentlastung des Vorstandes wegen „Fortsetzung des Atom-Geschäftes“. Rund 100 Anti-Atom-AktivistInnen vor den Türen des ICC – von der Polizei auf die gegenüberliegende Straßenseite zurückgedrängt – probten einen „Informations-GAU“: Durch den Riß in einem selbstgebastelten Atomkraftwerk entwichen 500 Luftballons mit kritischen Informationen über die 150jährige Firmengeschichte und dem Aufruf zum Boykott von Siemens-Produkten. Auf die Rolle des Konzerns im Nationalsozialismus wiesen zahlreiche DemonstrantInnen in und vor dem ICC hin. Zehntausende von ZwangsarbeiterInnen habe Siemens während des Nationalsozialismus beschäftigt, informierte das Aktionsbündnis, bis heute übernehme der Konzern dafür keine Verantwortung. Das kommentierte Aufsichtsratschef Hermann Franz mit den Worten, daß „mit dem schweren Schicksal der Zwangsarbeiter hier Schindluder getrieben“ und als Vorwand benutzt werde, das Aktionstreffen zu stören. Monika Hinner