Auf Suche nach humaner Grenze

■ Heide Ecker-Rosendahl will im April DLV-Vizepräsidentin werden – heute wird die Weitsprung-Olympiasiegerin von München 50

Dem DLV-Präsidenten Helmut Digel fällt, nach der Sportlerin Heide Rosendahl gefragt, als erstes „dieser phänomenale Lauf gegen Stecher“ ein. In der 4x100m- Staffel war das, als die westdeutsche Schlußläuferin in München 1972 gegen die ostdeutsche Sprint- Olympiasiegerin Renate Stecher ihren minimalen Vorsprung halten konnte. Die Westdeutschen haben das Rosendahl fast mehr gedankt als ihr Gold im Weitsprung. „Ich als Athletin“, sagt sie heute, „habe das nicht politisch gesehen.“ Wie dann? „Es war eine Herausforderung.“

Die „eigene Grenze rauszukriegen“, ohne dabei freilich „sich selbst zu betrügen“, von anderen zu schweigen, das motivierte sie zu Olympiasiegen und Weltrekorden. Danach wurde sie Ecker-Rosendahl, Mutter und erfolgreiche Geschäftsfrau. Heute wird sie 50 – und geht etwas Neues an. Sie kandidiert am 19. April in Baden-Baden als Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Es ist klar, daß Präsident Digel im Wahlkampf gegen Herausforderer Herbert Hopf von ihrem Renommee profitieren kann. „Kompetenz in Konkurrenz zu anderen“ bescheinigt Digel ihr, und das darf man im Zusammenhang mit Amtsinhaber Werner von Moltke verstehen. Von dem hält Digel so wenig wie der von ihm.

Ecker-Rosendahl, bisher Athletenbeauftragte, soll den Bereich Marketing professionalisieren, Kontakte nutzbringend umsetzen. „Marketing“, sagt sie, „ist eine Sache, die vom Verband bisher am wenigsten betrieben wurde.“ Mit dem Präsidenten liegt sie auf einer Linie bei der Forderung nach einer dopingfreien Leichtathletik und dem „humanen Athleten“, ein Begriff, den Digel gern gebraucht.

Der humane Athlet ist einer, der Verantwortung trägt, seine Würde nicht verliert – und zwischen Leistungssport und Leben Heide Ecker-RosendahlFoto: dpa

zu gewichten weiß. Ecker-Rosendahl nennt Dieter Baumann. Auch Florian Schwarthoff und Frank Busemann. War sie eine humane Athletin? Sie glaubt, ja: „Ich habe nie den Boden unter den Füßen verloren.“ Und das, obwohl Rosendahl nicht irgendeine Olympiasiegerin war, sondern der erste Fernsehstar der Leichtathletik, das „Vorzeige-Fräuleinwunder der Flower-Power-Ära“, wie die Nachrichtenagentur isk sie nannte.

Manchen schien sie mit ihrer Nickelbrille gar eine 68erin zu sein. War sie nicht. In Seminaren mitdiskutiert hat sie, 1969 öffentlich ja zu Willy Brandt gesagt, aber später auch zur FDP. Sehr viel später schrieb sie Kolumnen für Bild, und das „sehr gern“, solange sie den Eindruck hatte, sie könne „Fachliches“ einer großen Öffentlichkeit vermitteln.

Die Athletin Rosendahl wußte sich zu inszenieren, konnte, wie in München, mit Fingerschnipsen ein Stadion dazu zwingen, in andächtiger Stille auf ihren Sprung zu warten. „Für mich war es schon wichtig, zu gewinnen“, sagt sie über ihren 6,78m-Goldsprung. In Mexiko war sie erst Fünfkampffavoritin, dann verletzt. Das Gefühl des fehlenden Goldes war danach „über vier Jahre da“. Als sie es hatte, war die Spannung weg. Auf dem Höhepunkt ihres Ruhms ging sie 26jährig einfach weg. Weil, sagt sie, „ich wußte, daß ich kein Mensch bin, der Leistungssport und Mutterschaft unter einen Hut bringt. Dazu war ich zu egoistisch.“ Letzte Woche ist ihr jüngerer Sohn Daniel Ecker (19) mit 5,72m in die deutsche Stabhochsprung-Elite gesprungen.

Heute wird Heide Ecker-Rosendahl mit Freunden in einem ihrer Leverkusener Fitness-Studios „ein bißchen Aerobic machen“. Ein großer Geburtstagsempfang? „Sie will ja nichts“, sagt Helmut Digel: „Das ist symptomatisch.“ Ihm imponiert das. Peter Unfried