Promi-Promo

■ Ich, ich, ich ... und Nina Ruge bei ihrer Buchpräsentation

Nein, gewiß nicht wegen Nina Ruge waren sie zum Hilton geströmt, die Horden hochgradig minderjähriger Mädchen. Um ja nichts zu verpassen von der selbstgemachten „Gleich ist es soweit“- Hysterie, versperrten sie mit allem, was Muttis Schminkköfferchen hergab im Gesicht gleich dutzendweise die Hotelzufahrt oder lungerten auf den Stufen des Deutschen Doms herum, wo sie schon im Frühjahr 96 „Robbie, ich will ein Kind von dir!“ auf die Stufen gekrakelt hatten. – Nein, nicht wegen Nina waren sie da, sondern natürlich wegen der „Backstreet Boys“, die in diesem Jahr, wie bereits „Take That“ im letzten, in der Nobelherberge am Berliner Gendarmenmarkt abgestiegen waren, um sich bei der Gala im Konzerthaus schräg gegenüber eine „Goldene Kamera“ abzuholen.

Doch nicht nur außerhalb des Hilton herrschte am frühen Mittwoch Nachmittag reges Treiben; im „Salon B“ im ersten Stock, gleich neben „Goldene Kamera“-Preisträger Joe Cocker, gab Nina Ruge eine Pressekonferenz. Nina war nicht allein. Auch Hera Lind, Dénes Törzs, Geert Müller-Gerbes, Florian Langenscheidt, Ulla Kock am Brink, Werner Schulze-Erdel, Max Schauzer, Stefan Wachtel, Jean Pütz, Wolfgang Korruhn, Joachim Filliés und Ulrich Meyer waren zugegen. Doch auch sie waren nicht wirklich wegen Nina in Berlins Mitte zusammengekommen, sondern anläßlich der „Goldenen Kamera“- Verleihung am Abend sowieso schon da. Nur aufgrund der geschickten Terminplanung des Econ-Verlages hatten sie im „Salon B“ vorbeigeschaut, um sich als Autoren der von den Herausgebern Ruge und Wachtel präsentierten Aufsatzsammlung „Achtung Aufnahme!“ zu outen. Als Untertitel des Buches – wir wollen es kurz „A A“ nennen – liest man: „Erfolgsgeheimnisse prominenter Fernsehmoderatoren“. Liest man das Buch, finden sich darin bloß drei Dutzend Schulaufsätze zum Thema „Welche Anekdote habe ich bisher noch in keiner Talkshow erzählt.“ Anmoderiert wurde die Buchpräsentation von Nina selbst, indem sie wiederholt stolz auf ihre schon im „A A“-Vorwort nicht verschwiegene Erkenntnis verwies, daß Frauen doch immer die „größere Portion Gefühl“ zu zeigen verstünden. Und während ein derartiger Primatenfeminismus beim Urweib Hera Lind ungeteilten Zuspruch fand, wußte Ulla Kock am Brink Ninas Emotionalitätslitanei mit den Worten „Heulsusen, sag's doch gleich“ dankenswerterweise auszubremsen.

Doch das Interesse der anwesenden Journaille am 13teiligen Promo-Ringelreien der Promis war bald erlahmt. Unbeachtet durfte Max Schauzer öffentlich darüber sinnieren, wen er bei einer Fernsehshow wohl mehr langweile, das Saalpublikum oder die Fernsehzuschauer. Und als schließlich Eloquenzmaschine Ulrich Meyer als End- und Höhepunkt der Veranstaltung derart schamlos drauflosplauderte, als stünde nicht jedes seiner Worte schon genau so auf Seite 195f., da war sogar Wolfgang Korruhns ketzerische Bemerkung, Fernsehen sei „ein ekelhaftes, beschissenes Medium und zugleich auch ein wunderbares und herrlich überflüssiges Medium“ bereits wie ungesagt verhallt.

So braucht man über das Buch eigentlich nicht mehr zu wissen, als daß es noch 23 weitere prominente Moderatorentexte vereint. Ich, ich, ich sagen sie alle, alle, alle und manchmal auch wir, wenn sie ihre privaten oder öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber meinen, und dieses ich und wir sind in den seltensten Fällen Personalpronomen, sondern fast immer selbstreferentielles Demonstrativpronomen.

In Bälde jedoch, lautet daher die resignierend-resümierende Prognose, wird dieses „A A„-Buch die Verkaufshitparaden stürmen und das „XYZ, ich will ein Kind von dir“-Gekrakel der Boygroup- Groupies vorm Hilton verblaßt sein. Oder war's umgekehrt? Christoph Schultheis

„Achtung Aufnahme!“. Econ- Verlag, 336 S., 39,80 DM