Die Kostenlawine rollt

Robin Wood stellt neues Gutachten zur Wirtschaftlichkeit des Transrapids vor. Statt 9 wird er fast 20 Milliarden Mark teuer  ■ Von Gudrun Giese und Florian Marten

Berlin/Hamburg (taz) – Daß die bisherigen Kostenberechnungen zum Großprojekt Transrapid Berlin–Hamburg viel mit Wunschdenken und wenig mit seriöser Kalkulation zu tun hatten, haben inzwischen sogar die Betreiber gemerkt; Ende März präsentieren sie deshalb eine neue Wirtschaftlichkeitsberechnung. Wie katastrophal es aber um das Magnetbahnprojekt steht, zeichnet sich jetzt immer deutlicher ab: Robin Wood ließ die Münchener Gutachter Vieregg, Rössler, Bohm die Investitions- und Betriebskosten des Projektes durchrechnen. Ergebnis: 11 Milliarden wird das neue Fahrgefühl die Steuerzahler mindestens kosten und nicht 5,6 Milliarden Mark, wie bisher vom Bundesverkehrsministerium behauptet wurde.

Die Münchener Gutachter zogen für ihre Berechnungen Erfahrungswerte der Deutschen Bahn beim Bau von Eisenbahn-Neubaustrecken heran. Außerdem bezogen sie Kosten ein, die bisher in den offiziellen Berechnungen ausgeklammert blieben; unter anderem für die Verlängerung der Trasse bis zum Lehrter Bahnhof in Berlin. Allein bei den vom Bund zu tragenden Fahrwegkosten haben die Gutachter eine Differenz von über 4 Milliarden Mark ermittelt: Statt 5,6 Milliarden seien knapp 10 Milliarden Mark fällig.

Und auch die Betriebsinvestitionen, die bisher von einem privaten Betreiberkonsortium aus Thyssen, den Baukonzernen Hochtief sowie Holzmann und anderen aufgebracht werden sollen, werden laut Gutachten erheblich höher sein als bisher berechnet: Statt rund 3,3 Milliarden werden sie fast 4,8 Milliarden Mark fressen. Als besonders preistreibend erweisen sich dabei die Stromanlagen. „Für den energieaufwendigen Transrapid mit seinen extrem hohen Lastspitzen muß etwa die doppelte elektrische Leistung wie bei einer ICE-Strecke bereitgestellt werden“, so die Studie.

Rechne man dann noch die Zinsen zur Finanzierung während der Bauzeit hinzu und die Kosten für den vom Gesetzgeber geforderten Schallschutz, komme man auf Gesamtkosten von annähernd 20 Milliarden Mark und nicht 8,9 Milliarden, wie bisher von Betreibern und Bundesregierung kolportiert.

Aber auch für den laufenden Betrieb haben die Gutachter erhebliche Mehrkosten ermittelt; sie summierten sich auf 376 Millionen statt 243 Millionen Mark jährlich. Vieregg, Rössler, Bohm kommen auf 4 Millionen bis maximal 11 Millionen Fahrgäste pro Jahr, wobei die letzte Zahl auf einem Szenario basiert, das von der unrealistischen Annahme ausgeht, daß jeglicher Bahnverkehr zwischen Berlin und Hamburg eingestellt wird und daß zudem im Zeitraum von 1988 bis 2010 ein Wirtschaftswachstum von 90 Prozent erzielt werde.

Wirklichkeitsnäher ist die Berechnung, die aktuelle Wirtschaftsprognosen zugrunde legt und außerdem einbezieht, daß voraussichtlich auch ein von privaten Betreibern offerierter Fernbahnverkehr dem Transrapid zwischen Berlin und Hamburg Konkurrenz machen wird.

Am Ende wird der Bund noch weiter draufzahlen müssen, denn da nach den Berechnungsgrundlagen der Gutachter die jährlichen Kosten die Erlöse übersteigen werden, dürfte das Privatkonsortium wenig Interesse an einer tatsächlichen Beteiligung am Risikoprojekt Transrapid haben. Jörg Korte von der Magnetbahn-Planungsgesellschaft stellte gestern klar, daß das Projekt nicht realisiert werde, wenn es 20 Milliarden Mark koste. Allerdings gehe die Planungsgesellschaft davon nicht aus.

Jetzt, wo die Stunde der Kostenwahrheit schlägt, könnte die Industrie das Versprechen von Siemens-Vorständler Wolfram Martinsen von Anfang 1996 einlösen: „Niemand will ein Harakiri-Projekt.“ Karlheinz Rössler von dem Münchener Gutachterbüro kommentiert trocken: „Der Transrapid ist betriebswirtschaftlich nur als Prestigeobjekt in Diktaturen vorstellbar.“