Wenn ein Jurist das Verfassungsgericht belästigt

■ Pensionierter Richter nervte mit einer Bagatelle Karlsruhe. Dafür muß er blechen

Freiburg (taz) – Der pensionierte Richter konnte es einfach nicht verwinden. Von der Polizei war ihm wegen eines Verkehrsverstoßes ein Bußgeld aufgebrummt worden. Hundert Mark sollte er zahlen, ausgerechnet er, der altverdiente Haudegen des Gesetzes. Dabei war er lediglich am zähfließenden Autobahnverkehr vorbei auf der Standspur zur nächsten Ausfahrt vorgeprescht. Der Richter ging selbst vor Gericht. Er habe das Schild „Zur Ausfahrt rechts einordnen“ als Aufforderung verstanden, auf die Standspur zu wechseln. Umsonst. Der Richter verlor den Prozeß vor dem Amtsgericht in Bremen und auch vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht. Das Bußgeld blieb bestehen. Flugs formulierte er eine Verfassungsbeschwerde. Die Gerichte in Bremen hätten sein Grundrecht auf „rechtliches Gehör“ verletzt. Denn schmählich sei sein Argument mißachtet worden, er habe das Verkehrsschild einfach mißverstanden. Die Verfassungsrichter schrieben dem Kollegen einen höflichen Brief und wiesen ihn auf die „Unhaltbarkeit“ seiner Eingabe hin und erklärten ihm die Aufgabe des Verfassungsgerichts. Dieses brauche lediglich Verfassungsbeschwerden zu entscheiden, die für das Staatsleben, die Allgemeinheit und die Grundrechtsverwirklichung des einzelnen von Bedeutung sind. Es nützte nichts. Der Richter bestand auf einem Entscheid in Karlsruhe. Den bekam er jetzt: Die Beschwerde wurde erst gar nicht befaßt und der Richter zu einer Mißbrauchsgebühr von 700 Mark verdonnert. (Az 2 BVR 673/96) Christian Rath