Premiere des Films „Sarah Balabagan“ verboten

■ Regierung in Manila befürchtet diplomatische Verstimmung in den Emiraten

Bangkok (taz) – Ein trauriges Mädchengesicht mit großen dunklen Augen blickt von dem riesigen Filmplakat in Manila herab. Es kündigt die Premiere der „Sarah Balabagan Story“ an: Über das wahre Schicksal eines einfachen Dorfmädchens, das als Hausangestellte nach Arabien ging, dort zum Tode verurteilt wurde und als Heldin in ihre Heimat zurückkehrte.

Doch aus der geplanten Schau am Mittwoch wurde nichts. Die philippinische Regierung hat der Produktionsfirma „Viva-Films“ Anfang der Woche untersagt, den Streifen zu zeigen. Begründung des Außenministeriums: Es seien „extrem negative Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen den Philippinen und den Vereinigten Arabischen Emiraten“ zu befürchten. Gleichzeitig hatte eine lokale muslimische Organisation bei Gericht eine einstweilige Verfügung gegen den Film erwirkt, weil er „die religiösen Gefühle“ von Muslimen beleidige.

So geht das Drama um Sarah Balabagan weiter, das vor drei Jahren begann und Aufsehen in der ganzen Welt erregte: Von einer Vermittlungsagentur in Manila mit falschen Papieren ausgerüstet, in denen ihr Alter mit 28 Jahren angegeben wurde, war die 15jährige Sarah 1994 in die Vereinigten Arabischen Emirate gereist. Dort wollte sie als Hausangestellte arbeiten. Doch der Hausherr, ein Witwer namens Mohammad al- Beloushi, der schon Sarahs Vorgängerin belästigt hatte, versuchte, das Mädchen zu vergewaltigen. Sie tötete ihn mit Messerstichen. Als die Richter sie in zweiter Instanz zum Tode verurteilten, gab es einen Aufschrei der Empörung, nicht nur auf den Philippinen. Sarah Balabagan wurde zum Symbol für die vier Millionen Männer und Frauen, die im Ausland arbeiten, um der Armut im eigenen Land zu entfliehen. Sarah entging der Todesstrafe, als sich die Familie ihres getöteten Arbeitgebers mit einem Blutgeld von etwa 64.000 Mark und 100 Peitschenhieben zufrieden gab – nach Intervention des Herrschers der Vereinigten Emirate, Scheich Zaid bin Sultan al-Nahayan. Ein philippinischer Millionär zahlte das Blutgeld.

Als Sarah im vergangenen Jahr nach Manila zurückkehrte, sagte die Siebzehnjährige, ihr größter Wunsch sei es, ein ruhiges Leben zu führen. Sie wollte zur Schule gehen, studieren, vielleicht Anwältin werden. Die Chancen dafür schienen nicht schlecht zu stehen: Frauenorganisationen hatten mit Spenden einen Ausbildungsfonds für Sarah Balabagan gebildet, für die Filmrechte erhielt sie rund 175.000 Mark. Doch als sie nach ihrer Rückkehr berichtete, sie sei gar nicht vergewaltigt worden, wie sie auf Anraten einer Ärztin vor Gericht behauptet hatte, hagelte es aus dem Ausland Kritik. Sarah hätte nicht zugeben dürfen, daß sie ihren Peiniger erstach, bevor er sie penetrieren konnte, erklärten Frauenorganisationen. Jetzt seien andere Frauen in vergleichbaren Umständen gefährdet, denen die Richter nicht mehr glaubten. Für die junge philippinische Frau kam diese Kritik als Schock, der sich zu den Familienproblemen addierte, die sie zu bewältigen hatte. Ihr alkoholkranker Vater und andere Verwandte nahmen einen großen Teil des Geldes, ihre Eltern trennten sich, der Vater versuchte sich zweimal das Leben zu nehmen. Heute lebt sie mit einigen Freundinnen in einem Haus in Manila, abgeschirmt von der Öffentlichkeit. Für Poe Grapela von der philippinischen Gastarbeitervereinigung „Migrantes“ ist Sarah Balabagan allerdings weiterhin ein Symbol für die WanderarbeiterInnen. „Ich habe den Film gesehen,“ sagt Grapela. „Er ist sehr wahrheitsgetreu. Er zeigt, warum wir ins Ausland gehen müssen und was dort mit uns geschieht.“ Das ist seiner Ansicht nach auch der wirkliche Grund, warum die Regierung den Film stoppen lassen will: „Sie wollen die Wahrheit nicht sehen.“ Auch der Vorwurf, das Werk sei antimuslimisch, ist nach Ansicht von „Viva-Films“ vorgeschoben. „Wir haben gerade eine Unterstützungserklärung von sechs philippinischen Muslimorganisationen erhalten“, erklärte eine Mitarbeiterin der Firma. Präsident Fidel Ramos aber steht unter Druck: In den Vereinigten Arabischen Emiraten arbeiten derzeit 80.000 Migranten aus den Philippinen. Scheich al-Nahayan erwarte, daß sich Ramos für seine Intervention zugunsten von Sarah Balabagan erkenntlich zeige, sagte ein Mitarbeiter des Außenministeriums in Manila. Jutta Lietsch