Ohne Gronau kein atomares Wendland

■ Kapazität zur Urananreicherung soll nach Plänen fast verdoppelt werden

Aachen (taz) – Atome zu spalten lohnt offenbar immer noch – und sogar immer mehr: Die Nuklearfirma Urenco hat beantragt, die Kapazität ihrer Urananreicherungsanlage (UAA) im westfälischen Gronau von bisher 1.000 auf nunmehr 1.800 Tonnen Urantrennarbeit im Jahr zu erhöhen. Das heißt, man könnte den jährlichen Brennstoff für 15 statt bisher acht Reaktoren liefern.

Seit Dienstag läuft der Anhörungstermin. 8.000 schriftliche Einwendungen hat es gegeben, von AnwohnerInnen, Umweltverbänden, Kommunen. In dieser Woche wird in Emsdetten bei Münster über Emissionssicherheit begutachtet und über Fragen des Urantransports von und nach Gronau. Sauer war der Arbeitskreis Umwelt Gronau (AKU), daß die öffentliche Anhörung nicht daheim, sondern fast 50 Kilometer entfernt stattfindet. So ist vielen direkt Betroffenen die Teilnahme erschwert.

Die Anlage ist lebenswichtig für alle AKW. Uran, wie es in der Natur vorkommt, ist nicht sofort reaktorfähig. Vorher muß es in komplizierten Verfahren chemisch gereinigt und aufgearbeitet werden. Dabei wird mit extrem ätzenden, radioaktiven Fluorverbindungen gearbeitet (Uranhexafluorid). Mit technischen Umbauten läßt sich in Fabriken wie Gronau schnell atomwaffenfähiges Material herstellen. Oder das Know-how läßt sich exportieren – wie Anfang der 90er Jahre, als ein Urenco-Ingenieur die Pläne zum Bau der Gaszentrifugen an Saddam Hussein lieferte.

Vor der Ems-Halle hatte der AKU am Dienstag ein Castor- Imitat aufgebaut – obwohl Anreicherung und Lagerbehälter zwei verschiedene Paar Schuhe des Atomwerkelns sind. Aber, sagt AKU-Sprecher Denis Besseler, „als Symbol für unseren Widerstand“ sei der Castor schon geeignet, denn „alles, was hier produziert wird, muß irgendwann als Müll gelagert und entsorgt werden“. Also: Ohne Gronau kein atomares Wendland.

Nennenswerten Widerstand in Gronau hat es seit dem Start der bundesweit einzigen UAA 1985 (zu Beginn mit nur 400 Tonnen Jahreskapazität) nur von wenigen AktivistInnen vor Ort gegeben. Die Landwirte der Gegend haben sich, anders als im Wendland, mit Grundstücksdeals abspeisen lassen. Und auch die Anti-AKW-Bewegung hat Gronau meist als Randproblem behandelt.

Sehr zur Freude der Nuklearwirtschaft: Die Urenco betreibt drei solcher Atomküchen – neben Gronau eine gleich nebenan im niederländischen Almelo und eine in Großbritannien. Die Firma ist eine Art atomtechnischer Dienstleister – AKW-Betreiber kaufen Nuklearmaterial auf den Drittweltmärkten billig ein, liefern es zur Anreicherung und holen es für die Produktion wieder ab. Anteilseigner der deutschen Urenco- Tochter-GmbH sind die PreußenElektra und die in der Spalter- Branche allgegenwärtige RWE.

Der Atomenergiemarkt hat offenbar immer noch erhebliche Wachstumssegmente. Die Urenco jedenfalls sagt, sie habe durchaus Kunden für eine Produktionsverdopplung. Sie sagt nur nicht, wer und wo. Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) nannte die Anhörung nach nur einem Tag „deprimierend“. Die Verhandlungsführung des zuständigen Düsseldorfer Wirtschaftsministeriums sei tendenziös und befangen. Bernd Müllender