■ Mit der Polemik gegen die Wehrmachtsausstellung will die CDU/CSU ihre verunsicherten älteren Wähler halten
: Warum die CDU nach rechts rutscht

Eine Hetzausstellung“

Erika Steinbach-Herr-

mann, CDU-MdB, über die

Wehrmachtsausstellung

Während Daniel Goldhagen in Bonn in aller Stille gewürdigt wurde, findet die Auseinandersetzung, die er lostreten wollte, jetzt wirklich statt – am richtigen Ort und mit den richtigen Leuten. Was dem amerikanischen Juden versagt blieb, trifft nun mit voller Wucht das abtrünnige Kind des nazistischen Bürgertums, den Intellektuellen und Sponsoren der Wehrmachtsausstellung, Jan Philipp Reemtsma.

Peter Gauweilers neue Mitstreiterin, die zur Überzeugungstäterin mutierte Opportunistin Erika Steinbach-Herrmann, die sich kontinuierlich nach rechts bewegt, hat schon die deutschnationalen Aktionen zum 50. Jahrestag der Kapitulation mitgetragen. Damals, 1995, ging es darum, den 8. Mai 1945 als Tag der Niederlage und nicht als Tag der Befreiung im kollektiven Gedächtnis der Deutschen zu verankern. Die Frankfurter Volksvertreterin hat sich damit als Leitfossil einer rechten CDU für die Zeit nach Kohl etabliert.

Während Gauweiler in München die Straße mobilisiert, Steinbach-Herrmann in Frankfurt Stimmung macht, äußert sich Landowsky in Berlin rassistisch gegen Migranten aus Osteuropa und Asien. Auch die sogenannte liberale Mitte der CDU gerät ins Wanken – beispielhaft in Frankfurt, wo der langjährige Vorzeigeurbanist Wallmann die Wehrmachtsausstellung benutzt, um sich als das zu profilieren, was er im Tiefsten seines Herzens immer war: als Nationalist. Indem Walter Wallmann die Meinung Dreggers, die Ausstellung verdiene nur Verachtung, aber keine Protestkundgebung, gegen die übereifrige Steinbach- Herrmann wendet, bekräftigte er in der Sache nur deren Position. Das mag den FDP-Politiker Ignatz Bubis, der gemeinsam mit seinem Freund Wallmann, einem Träger der Ehrenmedaille der Jüdischen Gemeinde, in den Wahlkampf zog, erstaunen – wirklich überraschend ist das keineswegs.

Dabei geht es gar nicht um Reminiszenzen wie um Kohls Ehrung der Waffen-SS in Bitburg, um Wallmanns antijudaistische Rechtfertigungen des mittelalterlichen Frankfurter Ghettos oder um Steffen Heitmanns Fremdenfeindschaft. Das strategische Problem der CDU als einer Großstadtpartei mit liberalem Anstrich war stets – wie insbesondere in Frankfurt zu beobachten war –, einen von oben verfügten Philosemitismus einer zu Teilen xenophoben, antisemitischen Basis plausibel zu machen. Dies konnte unter Abspaltung des Antisemitismus von der Fremdenfeindlichkeit so lange gut gehen, als sich die Lebenslüge des deutschen Nachkriegskonservatismus, daß eine kleine Minderheit fanatischer Nazis für den Holocaust verantwortlich war, aufrecht erhalten ließ. Indem die Ausstellung öffentlich beglaubigt, was die seriöse akademische Forschung längst herausgefunden hat, zerplatzt ein ideologisches Konstrukt, mit dem sich antisemitische, deutschnationale Stimmungen an der Basis und philosemitische Äußerungen der Führung vereinbaren ließen: der Glaube an eine Armee, die nur die Heimat schützen wollte.

So geht es für die CDU nun darum, in einer Zeit, in der ältere Menschen durch die in Bonn betriebene Rentendiskussion verunsichert werden, ihre treuesten Wähler bei der Stange zu halten. Denn die CDU/CSU wird, wie die Demoskopie zeigt, stärker als alle anderen Parteien von Menschen über 60 gewählt und hat damit – abgesehen von den Reps – den größten Anteil von Antisemiten unter ihren Wählern. „Die CDU/ CSU bindet“, heißt es lakonisch in einem Beitrag von Werner Bergmann und Rainer Erb im 1996 erschienenen Sonderheft „Rechtsextremismus“ der renommierten Politischen Vierteljahresschrift, „überdurchschnittlich viele Wähler mit antisemitischer Einstellung. Dies geht zum Teil auf ihre konservativ- nationale Programmatik, teils aber auch auf einen starken Anteil älterer Wähler zurück.“ Damit entsteht für die CDU, die unter dem Druck der neoliberalen FDP steht, zur Standortsicherung den Generationenvertrag aufzukündigen, ein strategisches Problem, das scheinbar nur durch Ideologisierung aufzufangen ist. Einerseits muß die Partei, in der sich noch immer die Interessen der mittelständischen Wirtschaft und des Finanzkapitals durchgesetzt haben, um dieser Interessen willen mit der FDP koalieren, die die Interessen der Kapitalseite im allgemeinen und der Exportwirtschaft im besonderen rücksichtslos durchsetzt. Andererseits droht genau diese Politik die sozialstaatliche Basis von CDU und CSU auszuhöhlen.

Es war nicht zufällig die gemischtkonfessionelle, von erheblichen deutschnationalen und kleineren nationalsozialistischen Einsprengseln geprägte Volkspartei CDU/CSU, der es nach 1948 gelang, die Generation der Kriegsteilnehmer unabhängig von ihrer Beteiligung am arbeitsteiligen Massenmord in die Bundesrepublik zu integrieren. Die im Gefolge des Wirtschaftswunders von ihr durchgesetzte dynamische Rente einschließlich des Generationenvertrags waren materieller Ausdruck dieser Integration, die vom Kalten Krieg genährte Legende von der Unschuld der Wehrmacht ihr ideologisches Siegel. Sozialstaatlicher Generationenkompromiß und ideologische Verschleierung der Mittäterschaft der Wehrmacht waren somit zwei Seiten einer Medaille.

Heute, wo der sozialstaatliche Kompromiß aufgekündigt wird, soll diese Integrationsideologie nun alleine vollbringen, was bisher ungleich wirksamer von der Sozialpolitik geleistet wurde. Die gegenwärtige Rentenkrise bedeutet der Generation der heute Siebzigjährigen nichts anderes als die Aufkündigung all dessen, wofür sie nach dem verlorenen Krieg gelebt haben: soziale Anerkennung und reines Gewissen. Nun wird ihnen, am Ende ihres Lebens, deutlich, daß auf die Katastrophe des Nationalsozialismus kein Happy-End folgt. Indem die Wehrmachtsausstellung die lange verdrängte Verantwortung der ganzen Generation einfordert, vollenden ihre Befürworter die Aufkündigung des Nachkriegskompromisses.

So gesehen, versuchen die Rechtspopulisten in der CDU/ CSU nichts anderes, als den verlogenen Gründungskompromiß der Republik zu retten. Dabei nehmen sie in Kauf, daß sie mit ihrer Propaganda nicht nur rechtsextremistischen Wählern, sondern vor allem den rechtsextremen Parteien entgegenkommen. Er könnte mittelfristig die Stellung von CDU/CSU ebenso schwächen, wie die Grünen die Hegemonie der SPD unterminiert haben. Micha Brumlik