Kein Bauernopfer

■ Das „Mykonos“-Urteil trifft Klaus Kinkels Iran-Politik

Die Hoffnung auf ein Bauernopfer hat sich nicht erfüllt. Die iranische Führung – und sicher auch Klaus Kinkel – hatte gehofft, die Berliner Richter würden in ihrem Urteilsspruch nur Irans Geheimdienstminister Ali Fallahian beim Namen nennen und vielleicht noch auf dessen Zugehörigkeit zur iranischen Führung verweisen. Fallahians Karriere gilt im Iran längst als beendet. In der nächsten Regierung nach den Wahlen im Mai wird Fallahian, der im Umgang mit Dissidenten besonders skrupellos ist, ohnehin nicht mehr vertreten sein. Die Nennung seines Namens in der Urteilsbegründung hätte Teheran unter der Rubrik „Nachgetreten“ wegstecken können.

Doch das Urteil hat diese Hoffnungen zerstört. Daß die Namen der wahrhaft Verantwortlichen für den Mord nicht genannt wurden, nur ihre Ämter, ist unerheblich, schließlich weiß jeder, wer gemeint ist. Seit gestern ist rechtskräftig: Ali Chamenei und Ali Akbar Haschemi Rafsandschani haben den Befehl zum Politmord gegeben.

Der Weg der Richter zu dieser Erkenntnis war schwer, der Prozeß hochgradig politisiert. Der Bonner Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer versuchte, den Prozeß in seinem Sinne enden zu lassen, FDP-Politiker lavierten zwischen den Fronten, die Auftritte verschiedenster Fraktionen der iranischen Opposition taten ein übriges. Von Kommunisten bis Monarchisten – jeder nutzte den „Mykonos“-Prozeß auch zur Darstellung der eigenen Wichtigkeit und um, echte oder angebliche, Informiertheit über Interna aus der iranischen Staatsspitze zu demonstrieren. Die Berliner Richter haben all diese Angaben und Indizien tapfer auf ihre Richtigkeit überprüft, immer wieder verglichen und schließlich ihr eigenes Urteil gefällt.

Der Richterspruch fordert einschneidende Konsequenzen in der deutschen Iran-Politik. Jetzt ist auch juristisch bewiesen: Das seit Jahren anhaltende Gemetzel an iranischen Oppositionellen im Ausland geht nicht auf das Konto einzelner Fanatiker auf subalternen Posten der iranischen Staatsführung, sondern ist staatliches Programm. Auch nach dem Ende der Ära Fallahian müssen sich in den Iran reisende Politiker nun gewahr sein: Ihre Gegenüber sind die Auftraggeber von Mördern – es steht zu befürchten, daß dies noch länger so ist als „absehbar“. Thomas Dreger