"Man muß keine Angst haben"

■ Der ehemalige iranische Präsident Banisadr meint, das Regime in Teheran sei nach dem "Mykonos"-Urteil geschwächt. Er fordert ein Einfrieren der diplomatischen Beziehungen

taz: Sind Sie vom Urteil überrascht?

Abol Hassan Banisadr: Es ist ein deutliches Urteil: Der Iran ist ein terroristischer Staat. Die deutsche Justiz hat gezeigt, daß sie trotz allen Drucks unabhängig ist.

Trotz zahlreicher Morde an iranischen Oppositionellen gab es in Frankreich bislang kein derart klares Urteil. Warum?

Wenn man ein Land als terroristisch verurteilt, bedeutet es, das Regime ist nicht legitim. Jetzt müssen Frankreich und andere Länder reagieren.

Welche politischen Schritte müssen dem Urteil folgen?

Ich werde am Montag nach Bonn fahren, um mit den Repräsentanten von drei Parteien zu diskutieren. Man kann selbstverständlich keine Beziehungen mit einem terroristischen Staat unterhalten. Ein Minimum an Beziehungen ist nötig, damit das Volk nicht leidet wie im Irak.

Was bedeutet das konkret?

Ein Minimum bei den konsularischen Beziehungen und beim Handel. Aber kein Abkommen über Kredite. Und vor allem keine Geheimbeziehungen mit dem Regime wie bisher. Das Volk muß sehen, daß das Regime ohne internationale Unterstützung ist.

Welche Parteien treffen Sie?

Die Union, die Grünen und die Sozialdemokraten.

Warum nicht die FDP?

Es waren Herr Kinkel und vor ihm Herr Genscher, welche die kompromittierenden Beziehungen zu den Mullahs unterhalten haben.

Ist der kritische Dialog gescheitert?

Total. Es gab weder Dialog noch Kritik.

Wie kam es jetzt zu dem Urteil?

Anstelle der deutschen Regierung, die sich weigerte, dem Gericht alle nur möglichen Informationen zur Verfügung zu stellen, haben wir, die iranischen Demokraten, diese Informationen und Dokumente besorgt. Die Justiz hat ihre Entscheidung auf der Grundlage von meiner Zeugenaussage und der von Herr Mesbahi, dem Zeugen „Quelle C“, getroffen.

Welche Reaktionen erwarten Sie aus Teheran?

Bis Dienstag abend hatte die Kommission für auswärtige Angelegenheiten im Parlament keine Entscheidung gefällt. Jetzt ist es ein verurteiltes Regime, also ein schwaches Regime. Ich glaube nicht, daß man Angst haben muß.

Gibt es Fraktionen im Regime, die von dem Urteil profitieren?

Ja. Eine große Mehrheit im Inneren des Regimes profitiert davon, um Druck auf die sehr gewalttätige Minderheit auszuüben, die diese terroristischen Akte organisiert. Und ich meine, daß das Regime, daß der Iran sich in Richtung Demokratie entwickeln kann.

Was bedeutet das Urteil für den Schriftsteller Faradsch Sarkuhi?

Dessen Verhaftung und die Kampagne gegen ihn waren ein Manöver, um das Gericht zu behindern. Ich glaube, das Urteil wird auch ihn retten. Jetzt wissen alle, daß er ein Opfer ist.

Das iranische Regime hat mit der Veröffentlichung kompromittierender Informationen über die Regierung in Bonn gedroht. Was gibt es da?

Jede Menge. Sie sollten Herrn Genscher und Herr Kinkel fragen, welche Geheimbeziehungen sie mit dem Regime hatten. Ohne Herrn Genschers Engagement hätte der Iran 1981 keine Waffen vom Westen bekommen, und dieses Regime hätte keinen Staatsstreich gegen mich machen können. Jetzt sagen die Mullahs, daß Deutschland dem Irak chemische Produkte geliefert hat. Aber Deutschland hat natürlich auch Waffen an den Iran verkauft. Herr Genscher hat eine große Verantwortung für den Staatstreich und zugleich für die Organisation eines terroristischen Staates im Irak. Und nach ihm Herr Kinkel.

Fühlen Sie sich persönlich jetzt sicherer?

Ich bin daran gewöhnt, unter der Bedingung des täglichen Terrors zu leben. Ich lasse mich nicht beeindrucken. Interview: Dorothea Hahn, Paris