Das Vorbild der Schwabenmetropole: Die Londoner Docklands

Die Städte sind im Wandel. Das Bild von der alten kompakten Stadt mit ihrem Kern, den differenzierten baulichen Strukturen und öffentlichen Räumen wird aufgeweicht von neuen glitzernden Quartieren, die zudem der sozial durchmischten Stadtgesellschaft den Boden streitig machen. Statt städtischer Zentralität dominieren künstlich anmutende Business Distrikts, Bankenviertel, Shopping Malls oder Dienstleistungszentren den Stadtgrundriß. Gehört die Stadt der Zukunft den mobilen Besserverdienenden, der Freizeit- und Laptopsociety?

Als Modell für die neuen Stadtinseln – etwa der Potsdamer Platz in Berlin, die Down Town Frankfurt/Main, das Verkehrs-, Büro-, Wohn- und Kongreßzentrum „Euralille“ im französischen Lille oder das Hafenviertel Barcelonas – gilt heute die Bebauung des Londoner Ostens, auch Docklands genannt.

Auf dem riesigen stadtnahen Hafengelände, das bis Mitte der sechziger Jahre Speicheranlagen, Werften und Verladerampen beherbergte, wurden 1981 die Lagerhallen abgerissen.

Auf dem rund 20 Quadratkilometer großen Gelände am Ufer der Themse recken sich heute zwar mehr als 25 Dienstleistungstürme in die Luft – darunter Englands höchstes Hochhaus. Doch das rund 10 Milliarden Mark teure Projekt aus der Thatcher-Ära für ein neues Zeitungs- und Finanzviertel mit fast 50.000 Arbeitsplätzen, das die private kanadische Firma Olympia und York aus dem Boden stampfte, steht bis heute auf tönernen Füßen.

Weil die Immobilienpreise auf den Docklands Anfang der neunziger Jahre in schwindelerregende Höhen kletterten, schauten sich potentielle Büromieter wieder innerhalb des Stadtzentrums nach günstigeren Standorten um.

Die Docklands veröden seither immer mehr zur monofunktionalen Yuppie- und Dienstleistungsstadt – wohlgemerkt mit eigenem Flugplatz –, da nur mehr Großkonzerne die Grundstückspreise bezahlen können. Der Finanzbericht der Entwicklungsgesellschaft bezifferte das Defizit denn auch auf jährlich 12 Millionen Mark, da der Verkauf von Grundstücken stagniert.

Zudem wollen immer weniger Londoner auf den Docklands leben, fehlt es doch dort an günstigem Wohnraum, differenzierten städtischen Einrichtungen, wirklich öffentlichen Räumen und guten Verkehrsanbindungen: sprich, an urbaner Qualität. Rolf Lautenschläger

Der Autor ist taz-Redakteur