Fahrstühle des Schreckens

Ein Jahr nach der Katastrophe: Der Brandschutz auf dem Düsseldorfer Flughafen wird verbessert. PVC wird aus den Kabelschächten verbannt  ■ Von Christian Tönnesen

Berlin (taz) – Die Funken fliegen, als der Arbeiter an einer Zwischendecke im Düsseldorfer Flughafen schweißt. Eines der glühenden Tröpfchen entzündet das leicht brennbare Polystyrol-Dämmaterial in der Decke und löst genau heute vor einem Jahr die Brandkatastrophe aus, die 17 Menschen das Leben kosten wird. Gegen die beiden Arbeiter, deren Chef und gegen den für die Bauaufsicht verantwortlichen Architekten ermitteln Düsseldorfer Staatsanwälte seit Monaten. Gestern gaben die Ermittler bekannt, daß auch die Betreibergesellschaft des Flughafens Rhein-Ruhr ins Visier gerückt ist – weil sie die Polystyrolplatten einbauen ließ, obwohl deren Brandgefahr berüchtigt war (siehe Kasten).

In dem renovierten Flugsteig C wurden inzwischen Brandschutzmaßnahmen umgesetzt, die vor einem Jahr Menschenleben gerettet hätten. So wurden wesentlich mehr Rauchabzugsvorrichtungen installiert. Diese werden im Brandfall von Sensoren aktiviert, die auf Rauch – und nicht wie bisher – auf Hitze reagieren. Damals hatte sich der Qualm auf seinem Weg vom Brandherd zu anderen Bereichen des Flughafens abgekühlt. Er war nicht mehr heiß genug, um die Melder zu aktivieren – aber noch giftig genug, um Erstickung hervorzurufen.

Des weiteren wurde beim Neubau dem „Abschottungsprinzip“ entsprochen, so ein beteiligter Brandschutzexperte: Gänge von 140 Meter Länge würden jetzt beispielsweise im Ernstfall durch Stahlrolltore in drei Abschnitte unterteilt, um das Feuer einzugrenzen. Ein solches Rolltor sorgte voriges Jahr dafür, daß das Zentralgebäude Ost vom tödlichen Rauch verschont blieb.

Einen Fahrstuhl des Schreckens, der auf eine vom Brand betroffene Etage fährt, dort seine Insassen dem tödlichen Qualm aussetzt, ohne sich wieder schließen zu lassen, weil der dichte Rauch die Lichtschranke blockiert, soll künftig eine „dynamische Aufzugsteuerung“ verhindern. Diese koordiniert die Warnungen der Brandmelder und dirigiert die Aufzüge auf eine Ebene, von der aus die Flüchtenden ins Freie gelangen.

Gegenüber der Ausstattung vor dem Brand, verfügen die bis jetzt renovierten Bereiche des Flughafens über eine größere Anzahl von Sprinkleranlagen. Auch in den Zwischendecken arbeiten jetzt automatische Löschvorrichtungen. Statt dessen begünstigte damals die Auskleidung mit den leicht brennbaren Styroporplatten die explosionsartige Verbreitung von Feuer und Rauch.

Mit dem Flughafenbrand forderten Umweltschutzgruppen und Politiker wieder einmal die Verbannung von PVC und PCB aus öffentlichen Gebäuden. „PVC entwickelt beim Verschwelen eine sehr hohe Rauchgasdichte“, so Thomas Lenius vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Der dichte Rauch nimmt den Opfern nicht nur die Luft zum Atmen, sondern auch jegliche Orientierung für die Flucht.“ Zudem werden Salzsäuregase entwickelt, die zu einem tödlichen Lungenödem führen können.

Auf den Einsatz chlorhaltiger Baustoffe wie Polyvinylchlorid (PVC) und Polychlorierter Biphenyle (PCB) werde man verzichten, versicherte ein Mitarbeiter des mit dem Brandschutz beauftragten Büros. Statt Kabel aus PVC werden nun halogenfreie Kunststoffe eingesetzt. Bei dem Feuer auf dem Düsseldorfer Flughafen erstickten jedoch alle Opfer an Kohlenmonoxid, wie es auch bei Bränden ohne Kunststoffbeteiligung frei wird.

Daß bei der Renovierung des Flughafens auf die Kunststoffe PVC und PCB verzichtet wird, liegt vor allem an den hohen Sanierungskosten nach dem Brand. Beim Verbrennen der chlorhaltigen Verbindungen entstehen krebserregende Dioxine.

Für einige Verwirrung in Sachen PVC sorgte in diesem Zusammenhang eine Expertenrunde namens „Ökotisch Berlin“, die am Dienstag zu einer Pressekonferenz im Düsseldorfer Flughafen lud. Sie versprach die Ursachen für die Brandkatastrophe näher zu erläutern. Tatsächlich entpuppte sich dieser „Ökotisch“ als eine von der Kunststoffindustrie gesponserte Werbekampagne für PVC. Während zur gleichen Zeit Arbeiter in Schutzanzügen und mit Atemmasken immer noch dioxinbelasteten Brandruß aus Teilen des Gebäudes abtrugen, versicherte einer der Ökotisch-Experten: „Dioxine stellen bei Aufräumarbeiten kein Risiko für den Menschen dar. Erst bei Aufnahme von einigen Gramm Ruß würde die normale Dioxin- Belastung aus der Nahrung merklich überschritten.“ Daraufhin empörte sich ein Flughafensprecher: „Die tun ja so, als könne man das Zeug einfach weglöffeln.“