Die kroatische Opposition hofft jetzt auf ihren großen Durchbruch

■ Am Sonntag finden in Kroatien Kommunalwahlen statt. In den großen Städten des Landes liegt die Opposition vorn

Split (taz) – Auf Stimmengewinne bei den Kommunalwahlen und den Wahlen zur Zweiten Kammer des Parlaments hofft die kroatische Opposition am kommenden Sonntag. Besonders in den großen Städten des Landes haben nach jüngsten Umfrageergebnissen die teilweise zu Wahlbündnissen zusammengeschlossenen Oppositionsparteien große Chancen, die Regierungspartei HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft) abzulösen. Bei den Kommunalwahlen stehen in Kroatien Hunderte von Gemeindeversammlungen und 21 Regionalräte zur Neubesetzung an. Auch 63 Sitze in der Zweiten Kammer des Parlaments werden von den Wählern vergeben. Bei den Kommunalwahlen 1992 hatte die HDZ 60 Prozent der Stimmen erhalten.

Der HDZ, die wegen ihrer Korruptionsskandale und ihres hemmungslosen Machtstrebens Kritik einstecken mußte, werden nach Umfragen nur noch 30 bis 40 Prozent der Stimmen eingeräumt. In den großen Städten wie Zagreb, Rejka, Split und Osijek liegt die HDZ, laut Umfragen, teilweise weit unter 30 Prozent. Da der Präsident die von den Parlamenten der Städte vorgeschlagenen Bürgermeister bestätigt, könnte Franjo Tudjman die Wahlergebnisse dort ignorieren. In Zagreb wurde in den vergangenen Jahren der von der Opposition vorgeschlagene Kandidat mehrmals zurückgewiesen. Seither hat die Stadt keine funktionierende politische Führung mehr.

Angesichts dieser Situation sehen die Oppositionsparteien in der Wahl eine Richtungsentscheidung für das Land. 55 Parteien haben sich zur Wahl gestellt, von denen allerdings nur die HDZ, die Sozialdemokraten SDP, die Bauernpartei HSS und die Sozialliberalen HSLS Chancen auf Ergebnisse von über 10 Prozent haben. Auf dem Lande ist die Bauernpartei HSS zu einem beachtlichen Rivalen für die Regierungspartei geworden, die dort nach wie vor ihre stärksten Bastionen hat. In den Städten scheinen Sozialliberale und Sozialdemokraten zusammen die Regierungspartei überrundet zu haben.

In den vergangenen Wochen ist es der Regierungspartei jedoch gelungen, Boden gutzumachen. Sie verabschiedete ein Programm zur Verbesserung der Lage der 300.000 Arbeitslosen und versprach Verbesserungen für sozial Schwache, um ihrem Image als Partei der Reichen entgegenzuwirken. In einer Medienkampagne wurde zudem vor der „kommunistischen Gefahr“ gewarnt. Allerdings gelang es den Sozialdemokraten nachzuweisen, daß sich in ihren Reihen nur 25 Prozent Exkommunisten, in der Regierungspartei jedoch mehr als 60 Prozent ehemalige Parteimitglieder befinden.

Vor allem Sozialliberale und Sozialdemokraten sehen in der Wahl eine Grundsatzentscheidung über „Demokratie oder Demokratur“. Die Regierungspartei sei bestrebt, ihre Macht auf alle gesellschaftlichen Institutionen auszudehnen und schaffe damit totalitäre Strukturen, wird kritisiert.

Außerdem gilt die Wahl als Test, ob die unter serbischer Kontrolle stehende Region Ostslawonien im Lauf dieses Jahres in den kroatischen Staat reintegriert werden kann. In Ostslawonien haben die als Nationalpartei auftretende HDZ und die Serbische Nationalpartei SDSS die besten Chancen, die jeweiligen Bevölkerungsgruppen für sich zu mobilisieren. Auf der serbischen Seite ist noch unklar, ob die bislang rund 60.000 registrierten Wähler tatsächlich zur Wahl gehen werden.

Der Expräsident des nicht anerkannten serbischen Teilstaates in Kroatien, Goran Hadžić, ruft z. B. zum Wahlboykott auf und will Wahlen erst dann zulassen, wenn alle aus der Krajina geflüchteten Serben an der Wahl teilnehmen könnten. Das Parlament der Serben in Ostslawonien will heute über einen Boykott der Wahlen entscheiden. Würde die Wahl boykottiert, wäre dies auch ein herber Rückschlag für die UN-Übergangsadministration in Ostslawonien (UNTAES), die für die Reintegration der Region nach Kroatien verantwortlich ist. Der Kommunalwahl kommt zudem große Bedeutung zu, weil Präsident Tudjman große gesundheitlichen Probleme hat. Dieser Eindruck wurde durch Auftritte in der Öffentlichkeit verstärkt. Würde Tudjman jedoch als Präsidentschaftskandidat der HDZ ausscheiden, stünde Kroatien im Herbst vor einem Machtwechsel. Die Kommunalwahlen könnten dafür die Weichen stellen. Erich Rathfelder