Gesucht wird: Cash für deutsche Bill Gates

■ Jungunternehmer suchen Anleger, weil die Banken knausern. Keine Risikobörse

Alexander Voigt ist Anfang Dreißig, Vorstand der Berliner Solon Aktiengesellschaft und das, was man in der sozialistischen DDR-Wirtschaft das „positive Beispiel“ genannt hätte. Weil er aber in der kapitalistischen Wirtschaft agiert, winkt dafür kein Orden, sondern Reichtum. Wenn er zuvor an Kapital kommt.

Der Physiker Voigt ist Spezialist in einer „Schlüsseltechnologie im Solarbereich“, der Photovoltaik. Zusammen mit seinen jungen Geschäftsfreunden will er mit neu entwickelten Photovoltaikmodulen den Massenmarkt erschließen. Das ist nichts Geringeres als der Versuch, eine dezentrale Energieversorgung im Alltagsbereich gegen große Kraftwerksbetreiber durchzusetzen. Dafür braucht seine Firma in den nächsten zwei Jahren 25 Millionen Mark. Von einem frühen Gang in den Förderdschungel (es gibt 700 Programme) hält er wegen des Zeitaufwands nichts. Weil Deutschland die Solartechnologie jedoch gerade vergraule, wurden Investorensuche und Gespräche bei Banken nicht leichter.

Andererseits gab es sehr viele interessierte Klein- und Kleinstaktionäre, die denselben Glauben (oder Hoffnung) in die neue Technologie setzen wie Voigt, auf die dieser angesichts des großen Kapitalbedarfs jedoch nicht zurückgreifen mochte. Voigt will sich deshalb das Kapital an der Börse beschaffen. Vorerst steckte er viel Zeit und Geld in eine Bewertung seines Unternehmens. Die fiel immerhin so gut aus, daß er schon vier Wochen nach der Einschätzung seiner Bonität und seiner Marktidee von einer Bank eine abgeschlossene Finanzierung bekam.

Soviel Glück und vielleicht auch Marktperspektive hat nicht jede Newcomerfirma, die in Deutschland mit mehr oder weniger innovativen Produkten auf den Markt drängt. Mehr Kapital brauchen sie oft nichtsdestoweniger. An den Börsengang als Ausweg aus der Finanzmisere denken deshalb zunehmend mehr. Aber eine solche Börse risikofreudiger Kleinunternehmer gibt es noch nicht.

Etliche Berliner Jungunternehmer trieb die Hoffnung auf zusätzlichen Erkenntnisgewinn am Mittwoch abend ins Japanisch-Deutsche Zentrum, wo die Wirtschaftsjunioren – ein Verein für den Managernachwuchs – zur Diskussion über den Risikokapitalgeber Börse geladen hatte.

Wie der Moderator versprach, warteten auf dem Podium ganze „600 IQ-Punkte nur darauf, gemolken zu werden“. Die dazugehörigen drei Herren waren nach zwei Stunden in der Tat einiges losgeworden. Allein die knapp hundert Zuhörer machten nicht den Eindruck zufriedener Abschöpfer. Einer wähnte sich gar auf der „falschen Veranstaltung“, weil er für 25 Mark Teilnehmergebühr vor allem Antwort auf die Frage ersehnte, wie er als Kleinunternehmer an Geld komme. Und nun mußte er vom Berliner Direktor der Deutschen Bank erfahren, daß eine Klein-AG bei einem Kapitalbedarf von unter zehn Millionen Mark „eigentlich keinen Sinn“ mache. Da dürfte auch der kürzlich eröffnete Neue Markt, eine Erfindung der Deutschen Börse AG, wenig hilfreich sein. Der soll Risikokapital für junge, innovative, technologieorientierte Unternehmen sammeln und handeln, ganz nach dem Vorbild der amerikanischen Nasdaq. Mit deren Hilfe und der Aussicht auf Superrenditen für die Anleger konnte etwa Computer-Bill-Gates seinen Durchmarsch zum reichsten Mann der Welt starten. Aus Deutschland droht ihm vorerst keine Konkurrenz, denn der Neue Markt ist äußerst gering besetzt. Nur zwei Unternehmen machten zum Auftakt mit, nicht zuletzt wegen der hohen bürokratischen Anforderungen.

Für alle Jungunternehmer, die nicht soviel Kapital benötigen („so zwei bis drei Millionen“), hatte der referierende Aktienrechtler noch den Tip, vielleicht auf die Fans der Anlegerdevise „No risk, no fun“ zu spekulieren. Der Börsenfreiverkehr für den nichtamtlichen Aktienhandel – Branchenname „Zockermarkt“ – ist der Tummelplatz für risikoträchtige Papiere.

Daß die Besucher doch noch etwas wohlig erregt von dannen zogen, lag vor allem am Experten fürs Sonnenlicht. Nicht nur, daß Alexander Voigt in Erinnerung an die Geschichte des Bill Gates eine Art Visionsstandort Deutschland forderte. Er warf zudem eine Idee in den Raum, die ihm aufgrund der „erstaunlichen Quirligkeit gerade im Kleinaktionärsbereich“ gekommen war und auch spontanes Interesse im Saal hervorrief.

In den Vereinigten Staaten soll eine kleine Brauerei sogar schon einmal auf diese Weise zu Aktionären gekommen sein. Wie es in Amerika zudem nicht ungewöhnlich ist, daß neue Kleinfirmen ihre Aktienkäufer in der weiteren Verwandt- und Bekanntschaft akquirieren.

Wer sich nun zur Aktienausgabe entschließen möchte, dem rät der Vorzeigeexistenzgründer allerdings auch: „Lieber gleich zwei Millionen Mark ansetzen, obwohl man nur eine Million braucht. Die andere geht bestimmt fürs Gutachten der Unternehmensprüfer drauf.“ Gunnar Leue