Streit um Autoabgase

■ Das Europaparlament will schärfere Umweltnormen für Autos und Sprit

Straßburg (taz) – Die EU-Kommission beschloß im vergangenen Herbst zu lasche Ökonormen für Autos und Sprit, das befand gestern das Europäische Parlament (EP). Es forderte schärfere Grenzwerte für die Sauberkeit von Autoabgasen und Kraftstoffen. Nach Ansicht der Europaabgeordneten kann der Schadstoffausstoß deutlich verringert werden, wenn die Industrie gezwungen wird, den neuesten Stand der Raffinerietechnik anzuwenden. Die von der EU-Kommission für das Jahr 2000 vorgeschlagenen Schwefelanteile im Sprit sind dem EP viel zu hoch.

Bei der Euro-III-Abgasnorm, die ab dem Jahr 2000 für Autos gelten soll, kommt es nach Ansicht des Sozialdemokraten Bernd Lange im wesentlichen auf die Haltbarkeit der Abgasreinigungssysteme an. Er hat für das Parlament die Möglichkeiten besserer Automotoren ausgearbeitet: So soll die Industrie verpflichtet werden, für Katalysatoren eine Haltbarkeit über 160.000 Kilometer zu garantieren – doppelte solang wie bisher. Außerdem müßten die Testverfahren für Abgaswerte realitätsnäher gestaltet werden – nicht nur im Warmlauf, sondern auch bei kaltem Motor, mit dem die Autos auf Kurzstrecken in der Stadt noch überwiegend fahren.

Bisher hat die EU mit den sogenannten Euro-I- und Euro-II-Normen eine Verringerung des Schadstoffausstoßes seit 1970 um 90 Prozent erzwungen. Dies wurde vor allem mit der Einführung des Katalysators erreicht. Damals hatte die Autoindustrie eine ruinöse Kostenlawine heraufbeschworen. Auch jetzt mußte sich Lange solche Vorwürfe anhören.

Ähnlich protestiert die Mineralölindustrie: Vor allem Parlamentarier, in deren Heimatwahlkreisen Raffinerien stehen, wurden mit Schließungsdrohungen eingeschüchtert. Doch selbst Ölkonzerne haben inzwischen eingeräumt, so der französische Grüne Noel Mamere, daß die Kostenschätzungen, die sie der EU-Kommission zur Abschreckung genannt hätten, um bis zu 55 Prozent überzogen waren. Europäische Ölfirmen wie Elf liefern schon heute besseres Benzin in die USA, wo die Vorschriften strenger als in Europa sind. Mamere zufolge können Benzin und Diesel mit siebenmal geringerem Schwefelgehalt produziert werden als von der EU-Kommission gefordert.

Im Juni werden sich die 15 Umweltminister der EU mit den gestern vom EU-Parlament beschlossenen Umweltnormen befassen. Widerstand ist vor allem von Spanien zu erwarten. Die spanische Autoindustrie gilt als wenig rentabel, die spanischen Raffinerien sind alt und produzieren besonders schwefelhaltige Treibstoffe. Daher gewährte das EP den südlichen EU-Staaten vorsorglich eine Übergangsfrist bis 2005. Da bei Umweltfragen Minister und Europaparlament gleichberechtigt entscheiden, werden die Umweltnormen wohl noch einige Male zwischen Straßburg und Brüssel hin und hergehen. Die endgültige Entscheidung fällt nicht vor dem nächsten Jahr. Alois Berger