Die kleine Volksfront für ein Euro-Referendum

PDS und Rechtssozialdemokraten, Grüne und Konservative verbindet eins: Die Ablehnung von Maastricht II  ■ Von Dieter Rulff

Bislang trennten Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau und die PDS Welten. Dem SPD-Spitzenmann waren mögliche Bündnisse seiner Partei mit der SED-Nachfolgerin ebenso ein Greuel, wie diese in ihm den Wirtschaftsfreund erkannte.

Neuerdings können Rechtssozialdemokrat und Linkssozialisten jedoch Gemeinsamkeiten entdecken: Ein Europa der Kapitalisten, bei dem lediglich eine dünne Oberschicht profitiere sieht Voscherau ganz klassenkämpferisch nahen. „Ein Europa, in dem nicht einmal die demokratischen Errungenschaften der Nationalstaaten auf die europäische Ebene übertragen werden sollen“, befürchtet eher staatstragend die PDS. Und Hamburger Bürgermeister wie Berliner Genossen streben eine Volksabstimmung gegen die Europäische Union an. Sollten seine Bedenken auf der Maastricht-II-Konferenz nicht ausgeräumt werden, behält sich Voscherau vor, „dann womöglich über den Bundesrat ein Referendum anzustrengen“. Die PDS wiederum bringt dieser Tage im Bundestag einen Antrag ein über die „Durchführung einer Volksabstimmung über die Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland an der (...) Europäischen Währungsunion“ und die Ratifizierung der Maastricht-II-Ergebnisse.

Die Anti-Euro-Liaison von Voscherau und PDS ist typisch für die Unübersichtlichkeit in der Opposition bei der Frage: Wie hältst du es mit der Europäischen Union? Mitte Juni werden die Regierungschefs in Amsterdam über Maastricht II beraten. Sollten Sozialisten und Kommunisten bei den französischen Parlamentswahlen Ende Mai siegen, wird das den Skeptikern auch hierzulande Auftrieb geben. Die PDS-Genossen fühlen sich bereits durch die Erfahrungen in anderen EU-Ländern beflügelt und planen eine Referendumskampagne. Frankreich und Dänemark ließen schon ihre Bevölkerungen über den Vertrag von Maastricht abstimmen, weitere Regierungen wollen folgen. „Nur die Bundesregierung verweigert der deutschen Bevölkerung das Recht auf eine solche Mitentscheidung“, lamentiert die PDS – und prügelt den Falschen. Denn Volksabstimmungen sind, Regierungswille hin oder her, im Grundgesetz nun mal nicht vorgesehen.

So klar die Marschrichtung des Regierungslagers in Richtung Euro, so uneinheitlich präsentieren sich die Oppositionstruppen. „Die Währungsunion wird die Konkurrenz zwischen den Unternehmen innerhalb der EU enorm verschärfen“, begründet die PDS ihr Vorhaben: „Da im Vertrag über die EU keine europäische Sozialunion festgeschrieben werden soll, wird dies zu einem Wettbewerb um die niedrigsten Löhne und soziale Leistungen in der Europäischen Union führen. Weiterer Sozialabbau und ein Ansteigen der Massenarbeitslosigkeit werden die Folge sein.“

Die Sätze klingen, wie von Oskar Lafontaine abgeschrieben. Doch im Gegensatz zu seinem Parteifreund Voscherau und der sozialistischen Konkurrenzpartei hält der SPD-Vorsitzende trotz aller Vorbehalte stramm am Eurokurs fest – und setzt sich damit von seinem Kanzlerkandidaten-Konkurrenten ab. Denn Gerhard Schröder profiliert sich, ganz gegen sein Naturell, seit Monaten als Bedenkenträger in Sachen Euro und hegt gar Sympathien für Voscheraus Vorhaben, wenngleich er eine Volksabstimmung für wenig praktikabel erachtet. Er will „das Wagnis“ der Währungsunion nur eingehen, „wenn die Bedingungen stimmen und der Kreis der Teilnehmer vernünftig festgelegt wird“. Und zu den Bedingungen zählt für Schröder ganz im Gegensatz zur PDS eine harte Währung. Für sie will er notfalls den Termin verschieben. „Wenn wir verschieben, wird die Einhaltung eines neuen Termins nicht leichter“, hält ihm der Kanzler entgegen. Er werde „deutschnationales Geplapper“ nicht dulden, ergänzt Schröders Parteichef Lafontaine.

Dem Verdacht populistischer Anwandlungen sieht sich nicht nur Schröder ausgesetzt. Der PDS werde es schwerfallen, so diagnostizierte jüngst das Parteiblatt Neues Deutschland mit grausiger Grammatik, „ihr Nein von der auf der rechten Seite geschürten Angst um den Verlust von DM abzugrenzen“.

Dieses Dilemma haben die Bündnisgrünen bereits erkannt. Deren Parteisprecher Jürgen Trittin nimmt „mit Verwunderung“ zur Kenntnis, „daß sich die PDS mit den Herren Brunner und Gauweiler zusammenrauft“. „Gegen die D-Mark-Fetischisten, heißen sie Gauweiler, Bisky oder Brunner“, steht Trittin in seltener Einmütigkeit mit seinem Parteifreund Joschka Fischer. Das bündnisgrüne Spitzenduo, ansonsten eher auf Distanz bedacht, spricht in Sachen Euro mit einer Stimme. Trittin nimmt den Maastricht-Vertrag sogar vor dem linken Generalverdacht im Schutz, Grund nationaler Austeritätspolitik zu sein – und legt sich damit gegen die Fronde der Europolitiker seiner Partei quer. Denn für die gilt, was die Fraktionsvorsitzende im Europaparlament, Claudia Roth, diese Woche mit Blick auf die Regierungskonferenz in Amsterdam formuliert hat: „Der Maastricht-II-Vertrag hat meine schlimmsten Befürchtungen übertroffen.“ Weil eine „EU mit undemokratischen und militaristischen Zügen“ droht, weil „die bisherigen Euro-Kriterien die Schaffung neuer Arbeitsplätze erschweren“, tun sich die Euroskeptiker bei den Bündnisgrünen äußerst schwer mit der Union à la Kohl. Ein klares Ja zum Euro kommt ihnen nicht über die Lippen, offen dagegen mobilisieren mögen sie allerdings auch nicht. Der Populismus der PDS ist auch ihnen bislang zumindest ein Greul.

Ihre klammheimliche Hoffnung setzen sie nun auf Bundesfinanzminister Theo Waigel. Wenn der, was abzusehen ist, die Eurokriterien nicht einhalten kann, werde sich die Frage „Wie hältst du es mit dem Euro“ für die Opposition nicht mehr in der vollen Tiedtmeyer-Härte stellen. Dann werde über weichere Kriterien, Ausweitung und Verschiebung verhandelt – genug Zeit für die Opposition, den eigenen Standpunkt zu finden.

Der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Fischer, sucht den Ausweg aus dem Eurolamento im Projekt einer europäischen Verfassungsdebatte. Dies schlug er Anfang des Monats bei einem Treffen der europäischen grünen Parteien vor. Die Sache hat nur einen Haken, den Fischer bereits zu spüren bekam. Nicht alle Grünen- Parteien sind von dem erforderlichen Europa-Engagement beseelt – die britischen und schwedischen Parteifreunde stehen dem gar äußerst frostig gegenüber. Bei soviel Euro-Unklarheit in der Opposition dürfte es im eigenen Interesse hilfreich sein, daß die PDS in ihrem Antrag fordert, eine Volksabstimmung sei „durch eine intensive Information der Bürgerinnen und Bürger vorzubereiten“. „Es ist zu gewährleisten“, dekretieren die Genossen in bester realsozialistischer Tradition, „daß in den öffentlichen Veranstaltungen in allen Wahlbezirken und in den öffentlich-rechtlichen Medien die unterschiedlichen Grundpositionen und Alternativen (...) gleichgewichtig behandelt werden. Eine unabhängige Kommission ist zu bilden, die dies sichert.“