Nur PDS ignoriert den Parteienfrieden um den Euro

■ Langeweile während der Bundestagsdebatte um die Einführung des Euro: Selbst die Forderung nach Rücktritt Finanzminister Waigels sorgt für wenig Aufregung

Bonn (taz) – Finanzminister Theo Waigel (CSU) hat gestern im Bundestag erneut gefordert, die vereinbarten Anforderungen an die Mitgliedschaft in der Währungsunion müßten „strikt und stringent“ eingehalten werden: „Jeder Aufweichung der Kriterien werde ich mich widersetzen“, sagte er in der Euro-Debatte des Parlaments. Brisanz gewannen diese Äußerungen vor dem Hintergrund von Zahlen, die zum Zeitpunkt der Aussprache noch niemand kannte, aber alle ahnten: die der Steuerschätzung. Sie läßt die Zweifel daran wachsen, daß Deutschland die Bedingungen für die Einführung des Euro erfüllen kann.

Über diese Frage wurde jedoch gestern im Parlament geschwiegen. Die Abgeordneten aller Fraktionen balancierten über einen schmalen Grat. Einerseits herrscht Einigkeit, daß das Thema Euro aus dem Parteienstreit herausgehalten werden soll. Andererseits läßt sich darüber nicht debattieren, ohne daß wirtschaftspolitische Meinungsverschiedenheiten zur Sprache kommen.

Leicht hatte es da nur Gregor Gysi von der PDS. Da seine Gruppe als einzige im Bundestag den Fahrplan für die Einführung des Euro ablehnt, konnte er mit seiner Kritik unbefangen aus dem Vollen schöpfen. Gysi forderte eine Volksabstimmung über die Währungsunion und vor Einführung der Währungsunion die europaweite Abgleichung sozialer und ökologischer Standards.

Von den anderen Rednern kam keiner ohne ein prinzipielles Ja zur Währungsunion aus. Für seine Fraktion sei das Projekt „der wichtigste gegenwärtig anstehende Schritt im europäischen Einigungsprozeß“, meinte Gero Pfennig von der CDU. SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping beschrieb die Währungsunion als „Eckpfeiler“ der europäischen Integration, die „unverzichtbar für die dauerhafte Sicherung von Frieden“ in Europa sei. „Den Terminplan in Frage zu stellen, bedeutet die europäische Katastrophe“, sagte Helmut Lippelt von den Grünen.

Die Opposition warf Waigel vor, mit seiner Sparpolitik die Zustimmung der Bevölkerung zum Euro zu gefährden. Wegen der Haushaltsprobleme forderten mehrere Abgeordnete den Rücktritt des Finanzministers. Aber nicht einmal da ging es hoch her – beim Thema Euro wird eben nur dezent gestritten. Für Augenblicke änderte sich das, als überraschend Wirtschaftsminister Günter Rexrodt ans Rednerpult trat: Buhrufe bei der Opposition, zögernder Applaus von der Koalition.

Das jäh aufgeflackerte Interesse verlosch schnell. Rexrodt sprach noch, da verließen Unionsfraktionschef Wolfgang Schäuble, die grünen Fraktionssprecher Kerstin Müller und Joschka Fischer sowie CSU-Landesgruppenchef Michael Glos den Plenarsaal. Auch Kanzler Kohl wandte sich zum Gehen. Er hatte die Debatte von einer der hinteren Reihen aus verfolgt. Sein Platz auf der Regierungsbank blieb leer. Bettina Gaus