Crazy Kaffeekränzchen

Die Deutsch-Rapperin Lisbeth verkörpert die Abkehr von der aufgesetzten Bronx-Attitude

Der umstrittene Track „Im Frühtau zu Berge“ begründete ihren Ruf

Die deutschen Rapper gefallen sich gemeinhin in der ultracoolen Gangsta-Pose. In ihrem Sprechgesang können die Jungs gar nicht genug bekommen von den Schimpfwörtern, mit denen sie ihre Feinde schmähen. Da wimmelt es nur so von „Bitches“ und „Fotzen“, von „Huren“, „Strichern“ und „Wichsern“ – was halt so die Straßen bevölkert zwischen Sindelfingen und Oldenburg.

Lisbeth ist anders, sie verkörpert die Abkehr von der aufgesetzten Bronx-Attitude. Ihr Deutsch-Rap kommt bewusst altmodisch daher. Die Wörter, die sie ihren Rivalen von der Böse-Buben-Fraktion an den Kopf wirft, haben diese vermutlich noch nie gehört: „Liebestöter“, „Donnerbalken“, „Kummerbund“ und „Gangsterliebchen“. „Diese alten deutschen Wörter haben für mich einen famosen Sound“, sagt Lisbeth, „ich liebe sie einfach.“

Lisbeth, 24 Jahre alt, heißt eigentlich Elisabeth Wischniak und ist als Tochter eines polnischen Erntehelfers und einer Deutschen in Straubing aufgewachsen. Sie ist eine der wenigen Frauen im deutschen Hiphop, die dem zunehmend krassen Wortschatz von Macho-Typen wie Sido, Fler und Bushido etwas eigenes entgegenzusetzen haben. Der raue Gettoslang der Trabantenstädte ist ein Idiom, in dem Lisbeth sich nicht zu Hause fühlt. „Ich war schon immer dafür, so zu rappen, wie ich auch rede“, erklärt sie. Ihre Welt ist die der Kaffeekränzchen, der Häkeldecken und Beistelltischchen – nett, freundlich und so altmodisch wie eine Blümchentapete. Und sie hat Erfolg: Die toughen Kids reißen ihr die „heißen Scheiben“ mit dem angesagten Tanten-Rap förmlich aus den Händen.

Ihr aktuelles Album „Klosterfrau Melissengeist“, eine der interessantesten Rap-LPs dieses Jahres, wirkt denn auch wie eine Generalabrechnung mit allem, was sie nervt. Und selbst wenn Lisbeth über Hass und Feindschaft redet, schleichen sich keine drastischen Worte ein. Ihrem sanften Rap-Stil entsprechend posiert Lisbeth auf dem Cover ihrer LP mit Glockenrock und Persianer-Muff. Privat ist sie dann natürlich doch keine Blümchenfee, sondern eine zierliche Person, in der viel Wut und Energie stecken: „Ja klar, ich bin auch mal mit schlimmen Jungs unterwegs“, sagt sie. „Aber im Grunde meines Herzens bin ich das liebe Mädchen von nebenan.“

Schon in der Grundschule ein Fan des Rilke-Rappers Lazy Panther, fing sie mit 15 selbst an zu reimen. Als sie 17 war, im Jahr 2003, kam ihr programmatisches Debütalbum „Mild“ heraus, stilecht als 78er LP, inklusive des umstrittenen Tracks „Im Frühtau zu Berge“, der ihren Ruf begründete. Es war die Zeit, als der Berliner Rapper Ali D. mit seiner stabreimlastigen Sprache schockte. Das kann ich auch, sagte Lisbeth und nahm zusammen mit einer Freundin den Track „Käthes Käsekuchen“ auf, mit der einprägsamen Refrainzeile „Coole Kännchen für crazy Kaffeekränzchen.“

Lisbeths Rap-Karriere hatte mit einem Donnerschlag begonnen. Der endgültige Durchbruch kam jedoch über den Stuttgarter Rapper Waldorf, einen alten Bekannten, der sie bei seinem Etikett unterbrachte. Zwei Jahre waren seit ihrem Debüt vergangen, und in dieser Zeit wurde der sanfte Stil mit melodischen Reimen und zungenbrecherischen Kosewörtern, den sie immer schon gepflegt hatte, im deutschen Hiphop zu ihrem Markenzeichen.

Im Sommer erschien ihr neues Album, mit dem sie der Wertedebatte gründlich einheizen will. Es wirkt, als müsse sie die Welt umarmen: Hier stehe ich und kann nicht anders. Ihr liebster Track darauf heißt „Alwines Abwasch“. Mal sehen, ob sich die Kids auch von ihren gerappten Haushaltstips verzaubern lassen. RÜDIGER KIND