Die Briten sollen nicht mehr schießen

Sämtliche Handfeuerwaffen in Privatbesitz sollen verboten werden. Die Politiker fühlen sich moralisch zu diesem Verbot aufgerufen – und die Verbände der Sportschützen sind wütend  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Die britische Regierung will noch vor der Sommerpause sämtliche Handfeuerwaffen in Privatbesitz verbieten. Das Londoner Unterhaus stimmte am Mittwoch abend mit einer Mehrheit von 203 Stimmen für eine zweite Lesung des Gesetzesvorschlags. Keine der Parteien hatte Fraktionszwang verhängt.

Die Tories versuchten allerdings, die Gesetzesinitiative mit Hilfe eines Antrags auf Verschiebung zu kippen, kamen damit aber nicht durch. Michael Howard, der frühere Innenminister, sagte: „Dieser Gesetzesvorschlag ist unnütz, ungerecht und teuer.“ Er fügte hinzu, die von der Tory-Regierung im November ergriffenen Maßnahmen seien vollkommen ausreichend. Die Abgeordneten hatten damals beschlossen, Waffen bis zum Kaliber 22 von einem Verbot auszunehmen. Tony Blair versprach danach, das Thema gleich nach einem Labour-Wahlsieg auf die Tagesordnung zu setzen.

Vorgestern sagte er: „Ich denke, wir tragen eine moralische Verantwortung gegenüber den Opfern von Dunblane. Wir wollen alles in unserer Macht stehende unternehmen, damit sich das nicht wiederholt.“ In dem kleinen schottischen Ort Dunblane war im März vorigen Jahres ein Mann in eine Grundschule gestürmt und hatte 16 Kinder und ihre Lehrerin erschossen, bevor er sich selbst tötete. Das Blutbad löste eine landesweite Debatte um ein Waffenverbot aus.

Wenn das Gesetz verabschiedet ist, müssen 40.000 Menschen ihre Waffen abgeben. Sie erhalten insgesamt 31 Millionen Pfund Entschädigung, damit sie sich ein neues Hobby suchen können. Nach dem Verbot großkalibriger Waffen im letzten Jahr sind bereits 150 Millionen Pfund gezahlt worden. Inzwischen hat sich eine Lobby gebildet, die noch mehr Geld für die waffenlosen Waffennarren herausholen möchte.

Nicht alle Labour-Abgeordneten sind mit dem Waffenverbot einverstanden. Frank Cook vom Schützenverein des Unterhauses sagte, das Gesetz sei nicht durchsetzbar. Und Austin Mitchell, Labour-Abgeordneter aus Grimsby, erklärte, es sei falsch, sich durch eine emotional aufgeladene Atmosphäre zu einem übereilten Gesetz hinreißen zu lassen. Am schärfsten kritisierten gestern jedoch die Sportschützen das bevorstehende Verbot. Albie Fox, der Vorsitzende des Verbands der Sportsleute, sagte, daß die Commonwealth-Spiele im Jahr 2002 in Manchester wohl ausfallen müßten. „Für sechzig Commonwealth- Länder sind die Schießwettkämpfe die einzige Hoffnung auf eine Goldmedaille“, sagte er. „Wenn das Pistolenschießen aus dem Programm gestrichen wird, werden sie die Spiele boykottieren, und die Gewehrschützen werden sich mit ihnen solidarisieren.“ Um Olympische Spiele, so fügte er hinzu, brauche sich Großbritannien gar nicht erst zu bemühen.

Innenminister Jack Straw wies das zurück. Selbstverständlich werde er eine Ausnahmegenehmigung für Wettbewerbsteilnehmer aus anderen Ländern erteilen, sagte er. „Das ist konsequent“, sagte ein Mitglied einer Friedensinitiative, „die Ausländer sollen ruhig weiterballern, damit sie es nicht verlernen. Schließlich gehört Großbritannien zu den vier größten Waffenexporteuren in der Welt.“