: Freier Kopf und maximaler Wille
Die deutschen Basketballerinnen spielen bei der EM in Ungarn ein großartiges Turnier und stehen heute im Viertelfinale gegen Rußland ■ Aus Budapest Ute Berndt
„Aufgepaßt, wir kommen!“ Was die deutschen Basketballerinnen bei der Europameisterschaft in Ungarn mit ihren hautengen Trikoteinteilern optisch signalisierten, das setzten sie auch spielerisch um: selbstbewußte Aggressivität. Völlig überraschend hat sich das Team von Bundestrainer Bernd Motte zum Favoritenschreck gemausert und in der internationalen Spitze etabliert.
Die Auswahl des Deutschen Basketball-Bundes (DBB) steht nach Siegen gegen den Titelfavoriten Spanien (72:71), Europameister Ukraine (92:88) und Tschechien (85:65) sowie Niederlagen gegen Litauen (67:75) und Jugoslawien (73:74) heute im Viertelfinale. Und wer vorher darauf gewettet hätte, der hätte sich als Träumer beschimpfen lassen müssen. Erstmals überhaupt ein Spiel bei europäischen Titelkämpfen zu gewinnen, war das bescheidene Minimalziel gewesen, nachdem die Mannschaft vor zwei Jahren in Brno ohne Erfolgserlebnis vorzeitig die Koffer gepackt hatte.
„Aber jetzt gebe ich mich mit dem Viertelfinale nicht mehr zufrieden“, meinte Kapitänin Petra Kremer vom BTV Wuppertal kämpferisch. „Wir haben gezeigt, daß wir vor keinem Gegner Angst haben müssen.“ Der Olympiafünfte Rußland ist der Kontrahent im Viertelfinale, das die Deutschen im Gegensatz zur Konkurrenz ganz locker angehen können. Während die anderen Länder um die fünf europäischen Plätze bei der Weltmeisterschaft 1998 kämpfen, ist das deutsche Team als Gastgeber bereits qualifiziert.
Doch zuviel Lockerheit tut dem DBB-Ensemble nicht unbedingt gut. Das zeigte die 73:74-Niederlage im abschließenden Gruppenspiel gegen Jugoslawien. Ihr Ziel Viertelfinale hatten die deutschen Spielerinnen bereits am Vortag erreicht, und prompt fehlten die Intensität und der unbedingte Siegeswille aus den anderen Begegnungen. „Wir haben uns zu sicher gefühlt und viele Chancen nicht genutzt“, kritisierte der Bundestrainer, dessen Devise vom dominanten Auftreten plötzlich keine Früchte mehr trug. Emporkömmling Deutschland muß sich auf internationalem Topniveau vieles noch hart erkämpfen, was erfahrenere Mannschaften mit Routine erspielen. „Und dazu brauchen wir eben den maximalen Willen“, weiß Motte. „Sonst geht es nicht.“
Was die deutschen Korbjägerinnen in den Augen manches gegnerischen Trainers sogar zu einem Anwärter auf einen Platz auf dem Treppchen macht, ist neben den kämpferischen Qualitäten und dem aggressiven Verteidigungsverhalten vor allem die Stärke unter den Körben. Dort agiert mit Marlies Askamp die Reboundkönigin der Titelkämpfe. Mit einem Profivertrag in der amerikanischen Frauen-NBA in der Tasche spielt sie das Turnier ihres Lebens und setzt sich ein ums andere Mal gekonnt in Szene. 20 Punkte und elf Rebounds im Schnitt stehen für die 26jährige Justizbeamtin vom BTV Wuppertal bislang in der Statistik – Weltklasse.
Aber auch die anderen Centerinnen sind extrem gefährlich und werden von den Außenspielerinnen in einer ganz neuen Souveränität mit teilweise brillanten Pässen gefüttert. „Der erste Sieg gegen Spanien hat den Kopf freigemacht, wir gehen jetzt viel entschlossener zur Sache“, lobte Petra Kremer besonders die Reboundstärke der Mannschaft. „Wir haben allesamt durch unsere Auftritte im Europapokal viel dazugelernt und sind wesentlich abgezockter geworden“, freut sich Playmakerin Andrea Hohl. Die 21 Jahre alte Osnabrückerin, die bisher ebenfalls ein ganz starkes Turnier spielte, ist eine von sieben Nationalspielerinnen, die nicht vom BTV Wuppertal kommen. Der deutsche Meister hat den internationalen Aufschwung des deutschen Frauenbasketballs in den vergangenen beiden Spielzeiten mit Platz eins und zwei der Europaliga begründet.
Auch der Verband hat seinen Beitrag geleistet und neben der erfolgreichen Bewerbung um die Weltmeisterschaft die bisher beste Vorbereitung, unter anderem mit vier Gastspielen des Olympiasiegers USA in Deutschland, organisiert. „Davon haben wir enorm profitiert“, sagt Motte. Und schließlich hatte irgend jemand aus der Funktionärsetage auch noch die Idee mit den Bodies. „Inzwischen tragen wir sie gerne“, sagt Petra Kremer, nachdem sich die Wogen der Sexismusdiskussion geglättet haben. [Bleibt zu hoffen, daß demnächst die Herren Basketballspieler ebenfalls in diesen Outfits auflaufen. Vielleicht vergrößert das ihre Gewinnchancen. d.sin]
An deren Stelle ist jetzt die „Farbdebatte“ getreten. Schwarz oder Gelb – das war in den Gruppenspielen die Frage, an der sich auch Sieg und Niederlage entschieden. Dreimal durfte das Team schwarz antreten, zweimal war eine helle Spielkleidung gefordert. Und es setzte sich in Zalaegersezg die beim Supercup in Bremen begonnene Serie fort: Dunkel gewann, Hell verlor. Ein gutes Omen für das heutige Viertelfinale: Gegen Rußland dürfen die deutschen Spielerinnen wieder in den schwarzen Bodies auflaufen.
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