Türkisches Militär zum Putsch bereit

■ Armee droht mit dem Einsatz von Waffen. Regierungschef Erbakan unterstütze „islamische Terroristen“ und gefährde den laizistischen Staat. Außenministerin Çiller fordert den Koalitionspartner ultimativ zum Rücktritt auf

Istanbul (taz) – Das türkische Militär hat jetzt zum ersten Mal seit dem Amtsantritt des islamistischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan offen mit Waffengewalt gedroht. Die laizistische und demokratische Republik sei „durch den politischen Islam gefährdet“. „Letzte Warnung der Armee“, titelte gestern die Tageszeitung Milliyet – zuvor hatte der Generalstab der türkischen Armee Journalisten ins Hauptquartier zu einem Vortrag des Generals Fevzi eingeladen.

Die türkischen Zeitungen veröffentlichten den Text der Rede im vollen Wortlaut. Nach erbitterten Attacken gegen die Regierung in Ankara folgt der Verweis auf das türkische Militärgesetz. Danach ist es die Aufgabe der türkischen Streitkräfte, „die türkische Republik im Rahmen der Verfassung“ zu schützen. Anschließend wird das Statut der Streitkräfte zitiert, die „im Bedarfsfall mit Waffen die innere und äußere Bedrohung der Republik abzuwehren“ haben. In den elf Monaten der islamistisch-konservativen Regierungskoalition habe die „radikal-islamische Bedrohung“ unter tatkräftiger Hilfe der Regierung zugenommen. Fevzi weiter: Ministerpräsident Erbakan und Minister der Regierung unterstützten „islamische Terroristen“. Die Unterwanderung des Staatsapparates durch Islamisten sei bereits im vollen Gange. „Die islamistische Reaktion arbeitet Hand in Hand mit islamischen Ländern, die den Terrorismus unterstützen, allen voran dem Iran, und versucht unser Volk von den westlichen Zivilisationen abzuwenden“.

Panikstimmung herrschte in den Reihen der Koalitionspartner nach der faktischen Androhung einer Militärintervention. In einer eilig zusammengerufenen Fraktionssitzung der Partei des Rechten Weges forderten Parlamentsabgeordnete den Rückzug aus der Koalitionsregierung. Bis zu den baldigen Neuwahlen will die Partei des Rechten Weges eine Fortführung der Koalition mit den Islamisten nur akzeptieren, wenn ihre Parteivorsitzende Tansu Çiller das Amt des Ministerpräsidenten übernimmt. Bis Mittwoch nächster Woche wurde dem Koalitionspartner eine Frist für den Amtswechsel gesetzt.

Nach einem fast vierstündigen Gespräch zwischen Erbakan und Çiller gestern nachmittag konnte man sich offensichtlich noch nicht über die Modalitäten einigen. Çiller will einer Änderung des Parteiengesetzes, durch das das drohende Verbot der islamistischen Wohlfahrtspartei umgangen werden kann, nur dann zustimmen, wenn sie zuvor das Ministerpräsidentenamt übernommen hat. Çiller forderte nach dem Treffen das türkische Militär auf, „sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern“. Die Regierung werde die „Türkei keiner anderen Macht, als dem Willen des Volkes, ausliefern“. Nähere Angaben über das Gespräch machte sie nicht.

Das tagespolitische Gerangel der Koalitionspartner ist angesichts des Konfrontationskurses der Militärs nicht von sonderlicher politischer Bedeutung. Die Regierung ist faktisch entmachtet. Auch bei den Wahlen wird die türkische Armee das zentrale politische Gewicht spielen. Schon heute steht fest, daß eine Regierungsbeteiligung der Islamisten nach den Wahlen ausgeschlossen ist. Ömer Erzeren