Damenwäsche in unsichtbarer Tinte eingelegt

■ Ein Spionageprozeß bewegt Ägypten: Der Angeklagte ist israelischer Staatsbürger, sein ägyptischer Rechtsanwalt avanciert zum Buhmann der Nation

Kairo (taz) – Ein Verfahren vor Kairos Oberstem Staatssicherheitsgericht erhitzt in Ägypten die Gemüter. Der Angeklagte Azzam ist israelischer Staatsbürger, vorgeworfen wird ihm Spionage. Am Samstag muß er sich erneut vor Gericht verantworten.

Der offizielle, auf 500 Seiten dokumentierte Vorwurf könnte aus einem James-Bond-Drehbuch stammen: Azzam, der Ägypter Emad Ismail und zwei weitere in Abwesenheit angeklagte israelische Frauen arabischer Abstammung sollen für den israelischen Geheimdienst tätig gewesen sein. Einer der Vorwürfe: Azzam soll Ismail Damenunterwäsche überreicht haben, die in unsichtbare Tinte eingelegt war. Mit der Tinktur sollten angeblich geheime Nachrichten verfaßt werden.

Azzam wird von dem ägyptischen Starverteidiger Farid al-Dib vertreten. Der ist nun durch seinen Job zum Buhmann der Nation avanciert. „Kann es ein ägyptischer Anwalt mit seinem Gewissen verantworten, einen der Spionage angeklagten Israeli zu verteidigen?“ fragen seit Wochen die ägyptischen Medien, vor allem die der Opposition. „Für eine handvoll Dollars hat er den guten Ruf der ägyptischen Anwaltschaft zerstört“, heißt es in einer von 150 ägyptischen Anwälten unterzeichneten Erklärung.

Schlägerei im Gericht, Kinnhaken für den Anwalt

Beim letzten Prozeßtermin im Mai stürmte Mortada Mansur, ein Kollege al-Dibs, in den Gerichtssaal und fragte den Verteidiger, wie er dazu käme, „einen israelischen Spion zu verteidigen“. Unter dem Anspruch, „das ägyptische Volk und den Anwaltsverein zu vertreten“, präsentierte Mansur eine Schadenersatzforderung gegen Azzam und Israel. 35 Millionen US-Dollar verlangte er für „Verbrechen an der arabischen Nation“. Daraufhin entwicklte sich eine Schlägerei zwischen Anhängern und Gegner al-Dibs, bei der der Starverteidiger einen Kinnhaken abbekam. Der zuständige Richter lehnte Mansurs Anliegen ab. Böse Zungen behaupten, sein Auftritt sei nur darauf angelegt, durch Ausnutzung der weitverbreiteten antiisraelischen Stimmung im Land, Punkte für seine Kandidatur bei den anstehenden Wahlen im Anwaltsverein zu sammeln.

Gegen Azzams Anwalt al-Dib läuft inzwischen ein Disziplinarverfahren des Anwaltsvereins. Doch der 54jährige Jurist setzt sich zur Wehr: „Jeder Mensch hat das Recht, jemanden zu finden, der ihn vor Gericht verteidigt“, erklärte er in einem Interview der israelischen Zeitung Jedioth Ahronoth, das auch in einem ägyptischen Magazin erschien. Azzam sei ein Opfer der politischen Umstände, sagte al- Dib. Die Anklage gegen seinen Mandanten, die sich auf Aussagen des Mitangeklagten Ismail stützt, sei „fabriziert“.

Der ganze Fall symbolisiert den derzeitigen Tiefststand ägyptisch- israelischer Beziehungen, seit der Nahost-Friedensprozeß seine letzten Züge aushaucht. „Spionage zwischen Staaten gehört zur Normalität. Meistens hören wir nicht viel davon, aber wenn eine Seite einen Fall doch öffentlich macht, dann ist es immer politisches Kalkül“, meint Abdel Monem Said, vom Strategischen Zentrum der halbamtlichen Zeitung al-Ahram. Schon die Existenz eines solchen öffentlichen Prozesses zeuge von der Verschlechterung der Beziehungen beider Länder.

Nur der Präsident darf den Spion amnestieren

Wiederholte israelische Interventionen beim ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak, stießen bisher auf Granit. Er könne nicht „in ein laufendes Verfahren der unabhängigen Justiz eingreifen“, ließ dieser wieder verlauten. Am Ende, wenn Azzam dann möglicherweise verurteilt ist, wird es Mubarak dennoch in der Hand haben, ihn zu amnestieren oder abzuschieben. Einen politischen Preis, etwa in den Friedensverhandlungen, hat er bisher nicht genannt. In jedem Fall bleibt Azzam eine nützliche Karte im weiteren Nahost-Verhandlungspocker.

Die ägyptischen Öffentlichkeit zeigt sich gegenüber Azzam erbarmungslos. Seit Benjamin Netanjahu das Amt des israelischen Ministerpräsidenten innehat, haben selbst die unpolitische Mittelklasse und die ums tägliche Überleben kämpfende Unterschicht den arabisch-israelischen Konflikt wiederentdeckt. Fast fühlt man sich an die antiisraelische Rhetorik aus der Zeit der Kriege zwischen beiden Ländern erinnert. Die ägyptischen Medien haben sich auf Netanjahu eingeschossen. Gelegentlich wird sein Name mit dem arabischen Wort „Neten“ verkürzt, was soviel bedeutet wie „verrottet“.

Auch die religiösen Autoritäten melden sich zu Wort. „Mit Israel Geschäfte zu machen, ist Verrat und verletzt islamisches Recht“, lies der Mufti des Landes unlängst verlauten.

Wohl am besten gibt die Stimmung die Aussage eines führenden Mitglieds einer ägyptischen Menschenrechtsgruppe wieder. „Natürlich will ich, daß Azzam ein faires Verfahren bekommt, aber die Menschen hier würden ihn am liebsten am Galgen sehen. Sie sehen rot, wenn sie nur den Namen Israel hören.“ Karim El-Gawhary