Industrie unter Wasser im Norden Tschechiens

■ Die Flutkatastrophe legt neben der Landwirtschaft auch Industriebetriebe lahm. Skoda betroffen

Prag (taz) – Auch fünf Tage nach Beginn des Jahrhunderthochwassers in der Tschechischen Republik fehlt ein genauer Überblick über das Ausmaß der Katastrophe. Betroffen von den Überschwemmungen, die durch tagelangen Dauerregen ausgelöst worden waren, ist inzwischen knapp ein Drittel des Landes.

Im Norden und Osten stehen nicht nur Hunderte von Dörfern unter Wasser, sondern auch Großstädte wie die über 300.000 Einwohner zählende Industriestadt Ostrava.

In der Land- und Forstwirtschaft wird mit Verlusten in Milliardenhöhe gerechnet, riesige Flächen Ackerland stehen unter Wasser. Dutzende Betriebe mußten ihre Prduktion einstellen, da die Hallen unter Wasser stehen, die Stromversorgung zusammenbrach oder aber die Angestellten den Arbeitsplatz wegen überfluteter Straßen und eingestelltem Bahnverkehr nicht erreichen.

Auch der größte Automobilhersteller, die zur Volkswagengruppe gehörende Skoda AG im bisher verschonten mittelböhmischen Mlada Boleslav, mußte die Produktion des Modells Felicias einstellen, da die Zulieferfirmen in den Fluten untergegangen sind.

Die tschechische Regierung steht nun vor einem kaum lösbaren Problem. Erst im Mai hatte sie angesichts eines wachsenden Haushaltslochs und eines steigenden Außenhandelsdefizits die Bürger zum Sparen aufgerufen und die staatlichen Ausgaben rigoros gekürzt. In permanenten Sondersitzungen berät das Kabinett, woher die geschätzten 10 Milliarden Kronen nehmen und nicht stehlen. Erwogen wird nun die Einführung einer Hochwassersteuer.

Ihre liebe Not mit dem Hochwasser haben auch die Versicherungen,die erst im vergangenen Jahr über 100 Millionen Kronen an Hochwassergeschädigte in der Region Nordmähren auszahlen mußten. Eine Sprecherin der größten Versicherung, der Cèska pojistena, versicherte zwar, daß alle Betroffenen ausgezahlt werden können, auch wenn sich die Summe in den Milliarden bewegen sollte, doch da das genaue Ausmaß der Schäden noch unbekannt ist, kann es sein, daß die Versicherer trotz ihrer finanziellen Absicherung bei ausländischen Rückversicherungen ein böses Erwachen erleben werden. Finanzminister Ivan Pilip erklärte bereits, daß er dieses Jahr mit keinen Steuerzahlungen der Versicherungen rechne, da diese sonst zusammenbrechen würden.

Fest steht, daß die Hochwasserkatastrophe die Tschechische Republik im ungünstigsten Augenblick heimsuchte. Die Industrieproduktion wird weiter zurückgehen und das Außenhandelsdefizit wachsen. Katrin Bock