Kritik am Sektenbericht

■ Grüne monieren Zwischenbericht der Enquetekommission. Unklare Begriffe

Berlin (taz) – Die Enquetekommission des Bundestages über „sogenannte Sekten und Psychogruppen“ bleibt zerstritten. Während Union, SPD und FDP bei der Präsentation des Zwischenberichts gestern in Bonn von einer „gelungenen Halbzeitbilanz“ sprachen, warnten die Bündnisgrünen vor „pauschalen Urteilen“.

Schon bei der Abstimmung am 27. Juni hatten sich die beiden Kommissionsvertreter der Grünen, Angelika Köster-Loßack und Hubert Seiwert von der Universität Leipzig, der Stimme enthalten. Zwei Punkte waren es, die sie nicht mittragen wollten: Zum einen die von der Mehrheit der Kommission begrüßte Beobachtung von Scientology durch die Landesämter für Verfassungsschutz, zum anderen die ihrer Ansicht nach pauschale Diffamierung des Psychomarktes. Allgemein würden in dem Zwischenbericht Anbieter wirtschaftlicher Ausbeutung, krimineller Handlungen wie Betrug, Wucher, Steuerhinterziehung oder Körperverletzung bezichtigt. Unklar sei auch, welche Gemeinschaften oder Bewegungen unter „sogenannte Sekten oder Psychogruppen“ fielen. Die beiden grünen Kommissionsmitglieder befürchten, der für 1998 vorgesehene Abschlußbericht werde „religiöse und weltanschauliche Minderheiten“ pauschalen Verdächtigungen aussetzen. Die Kritik der Bündnisgrünen wurde von der SPD-Abgeordneten Renate Rennebach gestern scharf zurückgewiesen. Das „hehre Ziel“, sich für religiöse Minderheiten stark zu machen, verkomme in diesem Fall zur „einseitigen und unkritischen Parteinahme“. Die Opfer der Sekten würden schlichtweg „ausgeblendet“.

Mehrheitlich empfiehlt die Kommission dem Bundestag, den Zugang und die berufliche Qualifizierung von Psychotherapeuten gesetzlich zu regeln. Auch sollte Opfern von Sekten und Psychogruppen eine angemessene psychotherapeutische Behandlung angeboten werden. Ziel sei es, so Rennebach in einem Positionspapier, den Verbraucher auf dem sogenannten Psychomarkt künftig besser zu schützen. Das Land Hamburg hat hierfür bereits eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat eingebracht. Die 24köpfige Kommission, die nach dem Beschluß des Bundestages die von Sekten oder Psychogruppen „ausgehenden Gefahren für den einzelnen, die Gesellschaft und den Staat erfassen“ soll, hat in der Vergangenheit eine Reihe von öffentlichen und nichtöffentlichen Anhörungen durchgeführt.

Die Scientologen waren zu einer der Anhörungen allerdings gar nicht erst erschienen – dafür entzündeten sie gestern in Bonn symbolisch einen Scheiterhaufen in der Nähe des Bundeskanzleramtes. Severin Weiland

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