Durch's Dröhnland
: Im Pop-Pool

■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche

Alles sehr übersichtlich im Dröhnland. Die Love Parade bestimmt bis zum Erbrechen das Wochenende, und unter der Woche dominiert der „Jazz in July“. Etwas verwunderlich ist die Masse an Parties und Events, die man um den eigentlichen Love-Parade-Umzug am Samstag organisiert hat. Ist doch die 95er Parade gut erinnerlich, auf der viele Clubs leer blieben und die Raver sich auch in der Nacht auf der Straße amüsierten. Da waren die Veranstaltungen zu teuer und das Wetter zu gut.

Nachdem dann letztes Jahr vornehme Zurückhaltung angesagt war, geht man 1997 wieder richtig in die Vollen. Bis auf die immens angesagte Franzosen- Crew um Daft Punk und Motorbass ist wirklich alles vertreten, was als House-, Techno- oder Drum&Bass-DJ Rang und Namen hat. Bei einigermaßen erschwinglichen Eintrittspreisen hat man so die Qual der Wahl. Als Einstieg sei hier der Ladomat 2000-Abend am Freitag in der Kalkscheune empfohlen. Dort ist die erste Riege deutscher Housemusik-Produzenten am Start, um eine Mischung aus Live-Performance und DJ- Kicks zu geben. House steht hier nur als Oberbegriff, denn alle Beteiligten bedienen sich eklektizistisch aus dem großen Pop-Pool der letzten Jahrzehnte. So produzieren Whirlpool Productions einen House, der weder vor Gitarren noch Disco-Soul-Bläsern zurückschreckt. Ihr „Cold-Song“ war der Sommerhit des vergangenen Jahres, ein Song, jawohl, den sich auch Human League und Haircut One 100 nicht besser hätten ausdenken können. Die Devise von Whirlpool: From Disco To Disco Around The World. Arj Snoek wiederum ist ein Schützling von Whirlpool. Auf deren Anregung hin tauschte der 17jährige Akkordeon und Trompete gegen ein modernes elektronisches Heimstudio, um vor kurzem ein Album herauszubringen, das in seinen besten Momenten stark an Daft Punk erinnert. Seine Lieblingsmusik ist Funk und Disco-Funk, das Lebensgefühl hingegen wird bei ihm vom HipHop bestimmt. Andreas Dorau war als Fred vom Jupiter so eine Art NDW- Snoek. Als er in den 90ern zu verschimmeln drohte, sagte das Telefon plötzlich „Du“ zu ihm und er war wieder da. Dorau ist der Mann, der Schwachsinn und Egomanie in seinem Gewerbe ohne Scheu vor Peinlichkeiten auf den Punkt bringt. Ebenfalls verändert haben sich Egoexpress. Gehörten Jimi Orgi und Meense Reents früher der Hamburger Spaß-Rock-Crossover-Band Das Neue Brot an, so fabrizieren sie heute einen rumpeligen Techno-House, bei dem kein Auge trocken bleibt.

Heute ab 22 Uhr, Kalkscheune, Johannisstraße 2

Im Zeichen von schlagenden Trommeln und tiefen Bässen steht am Samstag der Event in der Halle am Fluggraben. Hier präsentiert sich das Metalheadz-Label mit seinen Anführern, um die berühmte „Blue Note“-Atmosphäre vielleicht auch nach Berlin zu tragen. Da ist zum einen Goldie, der mit seinem „Inner City Life“ der erste Popstar wurde, den das Genre hervorgebracht hat. Dann Doc Scott, zusammen mit Goldie Metalheadz-Gründer. Laut Goldie der „König der Roller“, ist Doc Scott der Mann für Hardsteps der wohlfeilen Sorte: extrem unterkühlt und undergroundig, Pop gibt es bei ihm in keiner Spur. Als dritter im Metalheadz-Bunde feiert der Grooverider seine Berlin-Premiere. „Godfather“ wird er genannt, und er ist eher der dunklen Seite des Genres zugeneigt. Seine Sets stehen für galoppierenden Wahnsinn, der wirklich keinen zur Ruhe kommen läßt.

Samstag, 22 Uhr, Halle am Fluggraben, Schlesische Straße Ecke Puschkinallee

Wer in den frühen Morgenstunden noch immer nicht die Schnauze voll hat, geht zum Bässe droppen gleich rüber in die Arena. Auch hier gibt es Drum&Bass vom Feinsten, u.a. mit den Dark Steppern Ed Rush, Nico sowie den Metalheadz-Damen Kemistry&Storm. Interessant dürfte noch sein, ob ein Herr namens Mickey Finn wirklich der alte T-Rex-Kompagnon von Marc Bolan ist, der „Hot Love“ und „Metal Guru“ elektronisch übersetzt, oder einfach ein Namensvetter, der welchen Sound auch immer in die Halle bläst.

Sonntag, von 8 bis 22 Uhr, Arena, Eichenstraße 4

Nun noch ein kleiner Ausblick auf Jazz in July: Früher glaubte er den Soundtrack für das Black Power Movement zu spielen, erklärte gar sein Saxophon zur Waffe des Vietcong. Heute hält er es lieber mit professoraler Altersweisheit: Archie Shepp. Gemeinsam mit dem Pianisten Cecil Taylor und John Coltrane befreite Shepp den Jazz in den Sechzigern aus den Fesseln der Altvorderen, Stichwort Free Jazz. In einem Interview, das Christian Broecking mit ihm vor vier Jahren für dieses Blatt führte, gab er vor, nicht mehr zu wissen, was „black music“ sei: „Die Tradition der black music ist für mich mit Coltrane zu Ende gegangen, heute sind ,black‘ und ,Jazz' nur noch Markenzeichen, genau wie Pall Mall oder Leenex.“ Musikalisch bedeutet das, erneut dort angelangt zu sein, wo er einst begann: beim Blues.

Am 14. 7. ab 22 Uhr, Quasimodo, Kantstraße 12a

Einer, der sich aus dem Akademiker-Ghetto des Jazz zu befreien versucht, ist der Saxophonist Branford Marsalis. Mit seinem Projekt Buckshot Le Fonque rührt er einen Sound an, den man als Acid Jazz oder Jazz-HipHop bezeichnen kann. Hört man Buckshot Le Fonque jedoch live oder auf Tonträger, überkommt einen trotz aller Quirligkeit das Gefühl, Reißbrettmusik zu hören. Sehr perfekt, irgendwie leblos. Gurus Jazzmatazz klingt besser, und trotz der zum Teil miesen Gigs amerikanischer HipHopper in Europa, sehnt man sich dann des öfteren den „real HipHop“ herbei.

Am 16. 7. ab 22 Uhr im Quasimodo. Gerrit Bartels