Privatisierung in neuem Licht

■ Rußlands Privatisierungsminister tritt ab. Verfahren soll transparenter werden

Moskau (taz) – Alfred Koch zeigte sich am Mittwoch angesichts seines – offiziell auf eigenen Wunsch erfolgten – Rücktritts ungerührt. Die Opferung des bisherigen russischen Privatisierungsministers war offenbar unter seiner eigenen Mitwirkung von der Regierung sorgfältig ausgeheckt worden und bedeutet für diesen Mann keine Einbuße an Zukunftschancen. Sie setzt aber ein Zeichen in jenem Kampf, der seit Wochen dieses Land beherrscht. Es geht nämlich darum, wer als Gewinner aus der Privatisierung der letzten zum Verkauf stehenden Giganten der russischen Industrie hervorgehen soll – der Staatshaushalt und somit das Volk oder einzelne Großbanken.

Seine Aufgabe habe darin bestanden, den Prozeß der Geldprivatisierung „anzukurbeln“, sagte Koch zum Abschied: „Heute ist diese Aufgabe erfüllt. Die letzten Auktionen zum Verkauf der Tjumener Ölgesellschaft und der Holding Swjasinvest haben gezeigt, daß der Staat aus dem Privatisierungsverfahren Milliarden Dollar zu gewinnen vermag. Jetzt kann ich mich mit ruhigem Gewissen in den Privatsektor zurückziehen.“

Falls Koch damit andeuten wollte, daß sein Gewissen bei anderen, vorausgegangenen Auktionen nicht so ruhig war, so hat er allen Grund dazu. Immerhin begann die Geldprivatisierung schon Anfang 1995, und bis vor kurzem verfehlte sie ihr Ziel, den dahinsiechenden Staatshaushalt aufzupolstern, auf katastrophale Weise. Die verkauften Unternehmen, von denen einige über weltweit einzigartige Rohstoffquellen verfügen, gingen zu Freundschaftspreisen an einzelnen Regierungsmitgliedern nahestehende Bankiers. Auf seiner Pressekonferenz entschuldigte sich Koch gleichsam für jene Etappe, indem er daran erinnerte, 1995 schon einmal – erfolglos – seinen Rücktritt angeboten zu haben.

Mit dem Abschied von diesem Politiker signalisiert Ministerpräsident Tschernomyrdin der Welt seine Abkehr von jener „dunklen“ Phase der Privatisierung. Wie aber die Tageszeitung Kommersant bemerkte: „Die Gründe für Kochs Rücktritt liegen zum Teil über Wasser und zum Teil darunter.“

Es geht dabei auch um die kürzlich erfolgte Versteigerung der Telefon-Superholding Swjasinvest, die für fast zwei Milliarden Dollar an ein Konsortium westlicher Investoren und die russische Oneximbank ging. Einerseits steht dieser Deal für die Abkehr vom alten Gemauschel, zu der sich die russische Regierung jetzt bekennt. Er führte aber zu erbitterten Reaktionen jener russischen Banken, die dabei den kürzeren zogen. Sie ziehen Koch ihrerseits allzugroßer Nähe zur Oneximbank.

Die jüngste Moskauer Personalentscheidung ist aber auch ein Trostpreis für jene Kreise. Ob es ihnen jedoch gelingen wird, auch weiterhin Konzessionen zu erzwingen, liegt nicht zuletzt in der Hand des neuen, aufstrebenden Privatisierungsministers, Maxim Bojko. Der 1959 geborene jungenhafte Finanzexperte war zuletzt stellvertretender Leiter der Administration des russischen Präsidenten. Er hat an der Universität von Harvard studiert und gilt, ebenso wie Koch, als Protegé des stellvertretenden Ministerpräsidenten Anatoli Tschubais. Parallel zu diesem kletterte er die Karriereleiter hinauf, blieb dabei aber – im Gegegensatz zu seinem Vorgänger – stets im Schatten. Barbara Kerneck