Sommerloch II

■ betr.: Rechtschreibreform

Das Wort „Reform“ kann in diesem unserem Lande aufgrund der jüngsten, zahlreichen Erfahrungen gut durch das Wort „Chaos“ ersetzt werden. Auch im Fall der Rechtschreibreform läßt sich das leicht verdeutlichen: Viele Fragen der Reform waren und sind ungeklärt. Dennoch haben die KultusministerInnen der Einführung dieser unausgegorenen Reform an den Schulen schon vor Jahresfrist – August 1996 – zugestimmt.

Im März 1997 erteilte der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz einer Kommission den Auftrag, die zahlreichen Fragen bis zum Beginn des neuen Schuljahres – August 1997 – zu klären.

Jetzt gibt er dieser Kommission noch ein ganzes Jahr Zeit, die neuen Regeln zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.

Dennoch wird von den KultusministerInnen die Einführung der neuen, nicht ausgereiften Schreibweise an den Schulen im jetzt anlaufenden Schuljahr nicht ausgesetzt! Der Eindruck, daß ausgerechnet die sich nicht wehren könnenden ABC-Schützen als Versuchskaninchen herhalten müssen, ist manifest.

Der vor knapp Jahresfrist in großer Auflage erschienene Duden weist in 8.000 Fällen Unterschiede zum neuen Bertelsmann Rechtschreib-Lexikon auf.

[...] Die KultusministerInnen können daher zu Beginn des neuen Schuljahres folgende Fragen besorgter Eltern nicht beantworten:

1. Mit welchem Lexikon können wir unserem Kind bei Fragen zur Rechtschreibung hier und heute verbindlich helfen?

2. Kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, daß alle in den letzten zwölf Monaten in den Schulen eingeführten neuen Regeln weiterhin Bestand haben?

Wie so oft erweist sich auch im vorliegenden Fall der vorauseilende Gehorsam zumindest als fragwürdig. [...]

Was ist zu tun?

a. Gebot der Stunde ist die Abwendung weiterer Verunsicherung durch ein sofortiges Aussetzen der Reform an den Schulen.

b. Die Regelungswut deutscher Kultusbürokraten ist zu bremsen; auch hier ist Deregulierung angesagt.

Merke: Zum Wandel der Schreibweise von „Photograph“ zum heute verbreiteten „Fotograf“ war eine kultusministerielle Rechtschreibreform nicht nötig. Eugen Prinz, Schwarzenbeck

Rechtsfreier Raum zwischen Kuss und Kusz entdeckt! Die Sollbruchstelle für den deutschen (Rechts-)Staat. Weinen oder lachen? Vielleicht wäre es an der Zeit, anhand einer ungeregelten deutschen Sprache die eigenen Möglichkeiten und Freiheiten mitsamt ihren Vor- und Nachteilen zu erlernen. Hans-Chr. Lange, Delft/Holland

Sommertheater 97. Thema: Wir gehen auf die Barrikaden gegen die Rechtschreibreform. Untertitel: Der deutsche Michel in Aktion. Ein Lehrstück.

Lehre 1: Manchmal ist des deutschen Michel Zipfelmütze eine Schlafmütze. Das Reförmchen wurde lang und breit diskutiert. Der Michel wacht erst auf, als die Entscheidung gefallen ist. Und dann regt er sich auf. Spät, dafür aber mächtig.

Lehre 2: Michel mag keine Veränderungen. Dabei geht es für ihn gleich um das Eingemachte. Die neuen Regeln bedrohen seine Identität, die Vernunft, die Ästhetik, die Kultur, das Abendland. Zur Rettung müssen die Gerichte angerufen werden. Vielleicht tät es auch ein guter Psychiater?

Fazit: Macht, wenn es sein muß, ein Gesetz zur Rechtschreibreform. Aber macht es schnell. Beendet den Gartenzwergaufstand. Vielleicht haben wir dann wieder Zeit, uns um echte Probleme zu kümmern.

Die Jugendlichen wollen nicht diskutieren, wie man „Arbeitsplatz“ schreibt, sie hätten gern einen! Sigmar Schuler, Ettenheim

Rechtschreibreform hin oder her. Meine Begeisterung hält sich auch stark in Grenzen. In meinen Augen ist sie nichts Halbes und nichts Ganzes. Wo bleibt z. B. die reformierte Groß- und Kleinschreibung? Aber was ich wohl nie begreifen werde, warum mit einem Mal von lauter Möchtegernwichtigen (steht nicht im Duden, Bertelsmann o.ä.) gejammert wird, wie schlimm das doch alles sei. Am allerwenigsten begreife ich hier die Schriftstellerverbände, die ja wohl mit als erste informiert waren, aber auch er zu jammern angefangen haben, als im Prinzip alles schon feststand. Die Eltern, die jetzt klagen, begreife ich genausowenig, da an einigen Schulen bekanntlich seit einem Schuljahr die neue Rechtschreibung gelehrt wird. Wenn dazu dann noch Begründungen kommen wie „Meine Kinder sollen das lernen, was ich auch gelernt habe“, wundert es mich doch sehr stark, daß Deutschland noch kein Dritte-Welt-Land ist. Den größten Affentanz führen aber wohl mal wieder unsere Politiker auf – wie war es auch anders zu erwarten. Allen voran die FDPO, die mal wieder ein Thema gefunden hat, um sich besonders zu profilieren und hiermit vielleicht doch noch die Fünfprozenthürde bei den nächsten Bundestagswahlen zu nehmen.[...]

Nicht so überzeugend bei der Rechtschreibreform finde ich da so Kleinigkeiten, warum es „Portmonee“ heißt, aber „Majonäse“ und nicht „Majonese“. Meine Schwierigkeiten habe ich auch so dabei, einen einzelnen Vokal vom Rest des Wortes zu trennen wie z. B. „A-bend“, „O-fen“. Nicht so toll finde ich auch die Regelung, daß auf einen kurzen Vokal „ss“ und nicht „ß“ folgt. Aber hieran kann man sich ja wohl ganz gut gewöhnen, und für Kinder, die gerade erst die Rechtschreibung lernen, ist wohl doch vieles einfacher geworden. Jan Meißner, Berlin